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Liebling, Zoo

■ Flußpferd Knautschke ist für immer untergegangen

In der häuslichen Badewanne seines Pflegers überlebte das ausgebombte Tier die schweren Fliegerangriffe auf die Stadt, die fast allen Tieren des Berliner Zoo den Garaus machten. Im Jahre 1945 ging das noch, da war Knautschke erst acht Monate alt und wog noch nicht vier Tonnen. Am Montag abend ist der Patriarch aller Flußpferde mit 45 Jahren für immer untergegangen.

Kein Wunder, daß Knautschke zum Liebling der Berliner avancierte, er, der Kriegsteilnehmer, war einer von uns, einer, der sich immer durchbiß, immer ein großes Maul hatte und gewaltig losbrüllen konnte. Selbst die Hungerjahre und die Blockadezeiten ließ er von seiner dicken Haut einfach abprallen. Die hungrigen Berliner vergalten es ihm mit vertrockneten Schrippen und alten Kohlköpfen. Und nach Krieg und Blockade war der dickfellige Bulle trotz kaltem Krieg aktiv in der Ost-Politik tätig. Bereits Anfang der fünfziger Jahre reiste er nach Leipzig und schwängerte die dortige Flußpferd-Frau. Seine 35 Kinder und insgesamt über 100 Nachkommmen sind über die gesamte Welt verbreitet - mit Ausnahme von Afrika. Die undankbaren Kinder, genauer der Sohn „Nante“ (11) war nun schuld an seinem Ende. Vor knapp zwei Wochen gab es nämlich Streit um das heimische Becken -Revier im Zoo, der jugendliche Raufbold nahm dabei dem Papa den letzten Zugriff auf die Frauen ab. Vor zwei Jahren schwängerte „Nante“ allerdings bereits seine Mutter, die 34jährige „Bulette“, die wiederum Tochter von „Knautschke“ war und dessen Lieblingsfrau. Knautschke verlor bei der Keilerei mit „Nante“ einen Eckzahn und wollte danach nichts mehr kauen. Seine Lieblingsspeisen Rüben, Äpfel und Brötchen verschmähte er in seiner Depression, die ihn bis auf zweieinhalb Tonnen Gewicht abmagern ließ. Am Montag abend bekam der grame Koloß deshalb eine Todesspritze. Den Berlinern soll Knautschke trotzdem erhalten bleiben: „Unser Liebling wird ausgestopft“, verspricht Zoo-Sprecher Reinhard.

gn

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