Lieber kein Nachwuchs als dieser

Rollhockey- und Eishockey-Verband balgen sich um die neue Trendsportart Inline-Hockey, doch viele Vereine schrecken auch vor den „jungen Wilden“ zurück  ■ Aus Waldbronn Frank Ketterer

Den Vergleich mit dem Eishockey weist Michael Habermann mit strengem Blick zurück. Nein, mit Eishockey habe Inline-Hockey nichts zu tun, aber auch rein gar nichts, läßt der Referent für Inline- Hockey im Deutschen Rollsport- und Inline-Verband wissen, bevor er, rein rhetorisch natürlich, die entscheidende Frage stellt: „Oder sehen Sie hier etwa irgendwo Eis?“

Okay, okay. Man sieht kein Eis mehr im Eiszentrum zu Waldbronn. Dafür hängt ein Schild an der Eingangstür: „Der Eistreff bleibt diese Saison geschlossen.“ Geöffnet ist dennoch, weil drinnen Inline-Hockey gespielt wird, am Wochenende waren es gar die Deutschen Meisterschaften.

Gespielt wird auf jenem Oval, das, wenn Geld dafür vorhanden, mit Eis bedeckt ist; die Spieler sehen in ihrer Montur aus wie Eishockeyspieler und jagen, mit Eishockeyschlägern, einem Puck nach, der allerdings orange leuchtet. Was fehlt, ist lediglich jenes typische trockene Geräusch, wenn die Jungs über die Spielfläche flitzen. Acht Plastikrollen knarzen nicht, schon gar nicht auf kaltem Betonboden. Trotz all dieser augenscheinlichen Gemeinsamkeiten bleibt Michael Habermann hart. „Man kann die beiden Sportarten nicht vergleichen“, sagt er. Schließlich sei Inline-Hockey eine „rein technische“ Angelegenheit, weil ein körperloses Spiel. Das wird auch bei diesen Meisterschaften deutlich: Checks und Fouls kommen so gut wie nicht vor, Strafzeiten müssen die beiden Schiedsrichter selten verhängen.

Unter ihre Fittiche würden die Trendsportart sowohl der Deutsche Rollsport- und Inline-Verband (DRIVe) als auch der Deutsche Eishockey Bund (DEB) nehmen. Was nicht weiter verwundert, das Geschäft mit den acht Rollen boomt. Und viele, können sie erst einmal auf ihren Inlinern stehen, nehmen früher oder später auch einen Schläger zur Hand. Nachwuchs und Zuwachs für die um Mitglieder und somit ums Überleben kämpfenden Vereine liegen somit auf der Straße. Was durchaus wörtlich zu verstehen ist: Nicht selten macht man seine ersten Erfahrungen im Inline-Hockey auf einem Parkplatz.

„Jugendliche, die Inline-Hockey spielen, sind auch potentieller Nachwuchs fürs Eishockey“, sagt Klaus-Peter Knospe, Pressechef des DEB. Auch deshalb interessiere sich sein Verband für die Inliner. So richtig allerdings nur in den Sommermonaten, wenn Eishockey Pause macht. Von Mai bis Juli dauert die vom DEB ausgerichtete Deutsche Inline Hockey-Liga (DIHL), in der auch Teams aus DEL-Städten, beispielsweise Mannheim, Schwenningen, Hannover und Nürnberg, mitwirken. Als „ideale Ergänzung“ zur normalen Eishockeyrunde im Winter bezeichnet sie Knospe. Das wiederum ist Michael Habermann vom DRIVe zu nebensächlich. Zudem bezeichnet er die Eishockeyspieler von der DEB-Inline-Liga etwas undifferenziert als Profis. „Bei uns spielen nur reine Amateure“, sagt der Mann aus Frankenthal. Daß sich auch in der Inline-Hockey-Liga (IHL) seines DRIVe so mancher Eishockeyspieler tummelt, läßt sich dennoch nicht verschweigen. Spätestens auf dem Platz wird es augenscheinlich, meist sind es die Leistungsträger.

Das Dumme ist zudem, daß die Inliner selbst im DRIVe nicht überall erwünscht sind. So manchem Verein, der sich in erster Linie der Betulichkeit des Rollkunstlaufens verpflichtet fühlt, sind die jungen Wilden zu jung und zu wild. Lieber kein Nachwuchs als dieser, heißt dann das Motto, Mitgliederschwund hin oder her. Als Beispiel hierfür kann der frischgekürte Deutsche Meister, die „Crows“ aus Neu-Isenburg, aufgeführt werden. Von den Rollkunstläufern wurde den Inlinern die Aufnahme in den heimischen RRSV verwehrt. Seither spielen die Crows im benachbarten Egelsbach.

Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall, auch wenn Michael Habermann glaubt, daß immer mehr Vereine „auf den Trichter kommen“ und Inline- Hockey als Zukunftsperspektive für sich erkennen. Um die zu erweitern, will er die Regeln von Inline- und dem in seinem Verband ebenfalls noch existierenden Skaterhockey, bei dem mit Körpereinsatz und Ball gespielt wird, einander angleichen und schließlich zu einem Spiel verschmelzen. Nur vereint und gemeinsam, das weiß Habermann, haben seine Visionen vom Inline-Hockey als eigenständige und akzeptierte Sportart eine Chance. Sonst bleibt die Sache am Ende doch nur eine Sommerbeschäftigung für Eishockeyspieler.