: „Liebe taz...“ Erhabener Ton geht mir gegen den Strich
Betr.: „Die schönste Jugend ist bunt“, taz bremen vom 23. November 2000
Also, wie hätte die taz es denn gern? So langsam geht mir dieser erhabene Ton gegen den Strich. Von oben herab wird alles höchst kritisch beäugt und womöglich dann noch zerfetzt. Der Artikel zur Bremer Nacht hat mich wütend gemacht! Erst einmal beschreiben die Autoren die Jugendlichen ziemlich arrogant – „milchgesichtige Jungs“ oder „sorgfältig gestylte Mädchen“ etc. Also, ich will lieber nicht wissen, was mir bei Ihrem Anblick so in den Sinn gekommen wäre.
Dann zur Verteilung der Preise – wie auch immer das gelaufen sein mag, wenigstens gab es sie. Und das ist immerhin schon etwas, worüber sich ein Schüler heutzutage freut. Und außerdem sind wir ja nicht im Fernsehen oder wo auch sonst der Perfektionismus immer angekreidet wird!
Und als dann noch im Schluss-wort die Veranstaltung eine „politische Kulturveranstaltung“ genannt wird, die ihr Ziel so gut wie verfehlt hat, hört es mit meinem Verständnis auf. Ich war zwar nur kurz vor Ort, habe die Atmosphäre aber sehr genossen. Egal ob „pubertierende“ Jugendliche oder „frustrierte“ Erwachsene, solch eine Ansammlung von Menschen in so einem Rahmen ist immer positiv. Es wurde viel angeboten und der Bremer Jugend scheint es gefallen zu haben.
Auch wenn die Bremer Nacht ihren ursprünglichen Anlass verfehlt hat, fand ich es so sehr schön. Das Pogrom von 1938 ist ein Thema, das den Jugendlichen in solch einer Art der Auseinandersetzung vielleicht schon zum Halse heraushängt. Wir leben jetzt und genießen solche Veranstaltungen. Warum sollte man von einem schrecklichen Bild zum nächsten treten, mit betrübtem und schuldbewusstem Gesicht? Wir sind uns alle im weitesten Maße der Zeit bewusst.
Ich finde der Abend war multikulturell bunt, interessant und hat in einer heiteren Weise Respekt für die Menschen im Hier und Jetzt geschaffen.
Et voilà, taz, zerreiß mir die Worte im Mund und leg alles auf die Goldwaage ...
Julika Habekost
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