ANDREA HÜNNIGER HÖRBÜCHER : Liebe Vorleserin und Vorleser!
Berlin, Mai 2009. (lange Pause)
Sie, lieber Jens Harzer, stellen uns Paul Celan mit einem getragenen, irgendwie verbitterten Ton vor, der die tiefe Trauer, das ganze Ausmaß seines Leidens schon in der Datumsansage ankündigt. Schon wieder Mai, es ist ja auch immer ein Schrecken. (Pause) Aber gegen alle Verweigerung gewöhnt man sich an die Stimme, die um Celan ein Schloss aus kaltem, ewigem Marmor errichtet und deren Monotonie gegen Ende des Briefwechsels auch manchmal sehr passend ist. Das Leben muss schrecklich für die beiden gewesen sein, jeder Tag ein Todestag, so hört es sich jedenfalls – „Liebe (Pause) Ingeborg“ – an. Man will gleich aus dem Fenster gucken und den Regen gegen die Scheibe knallen sehen.
Dagegen dringt die klare, raue, traurige Stimme Johanna Wokaleks in der Hörbuchfassung des „Herzzeit“-Briefwechsels (Speak Low, 4 CDs, 26,80 Euro) durch den peitschenden Regen im Kopf hindurch, wie ein Messer die Butter teilt, was eine Rettung verspricht: Wokaleks Stimme ist die Unschuld, die Liebe, die Sehnsucht, die Dramatik. Immer. Auch wenn „Inge und Klaus zurück sind, und ich einen Abend mit ihnen sprechen konnte“, und der entsetzlich niedergeschlagene und von großen Unterbrechungen verlangsamte, aber im Grunde banale Satz Furcht durch das Herz jagen will. Denn jeder Tatbestand im Alltag ist eine Herausforderung an Ingeborg Bachmann, Paul Celan, so wirkt es hier.
Dabei hat es sich so anders angehört, im eigenen Kopf, mit den eigenen Stimmen, die man den Dichtern gab, denen man damals, letzten Sommer, nicht zwischen die zwei Buchdeckel voller Freude zuzurufen wagte: Da ist sie wieder, die Liebe. Es hat sich dialogischer angehört, nicht so eindeutig, nuancierter …
Natürlich, Sie wenden ein: Es ist ja nicht leicht (Pause), die Briefe von Ingeborg Bachmann und Paul Celan vorzulesen. Schwere Steine lasten auf der Brust des Vorlesers. (Bedrückte Pause) Aber muss man sie wirklich so stark heraushören?
Herzlich: Andrea Hünniger