piwik no script img

■ Liebe Berliner SPD, nimm noch einen Senator! Deine CDUKeine Politik. Nirgends

Walter Momper, ehemals Regierender Bürgermeister der rot-grünen Koalition in Berlin, verweigerte jeden Kommentar: „Da kann ich nichts sagen, sonst muß ich kotzen.“ Nichts kennzeichnet treffender, daß die Vereinbarungen über eine Neuauflage der Großen Koalition für die SPD zum Kotzen sind als das nachträgliche Angebot der CDU an die SPD, wenn sie wolle, könne sie noch einen weiteren Senatorenposten bekommen. Nach der verheerenden Wahlniederlage Ende Oktober als Quittung für fünf Jahre profillose Politikverwaltung hatte die SPD noch geschworen, sie werde sich nicht wieder zum CDU-Juniorpartner machen lassen. Das sieht man ja.

Die Partei ist wieder mal zum Spielball der CDU geworden. Wie angesichts dessen die für westdeutsche Kommunen unvorstellbaren Probleme der Hauptstadt gelöst werden können – 23 Milliarden Mark müssen gespart und 20.000 öffentliche Angestellte bis 1999 abgebaut werden – bleibt weiter unklar. Der Koalitionsvertrag trieft vor Allgemeinplätzen, doch wie die Schulden reduziert werden können, soll eine Kommission erst Ende Mai beantworten. Dies gefährdet nicht nur die Anfang Mai geplante Volksabstimmung über eine Fusion der Länder Berlin und Brandenburg. Es düpiert auch die Delegierten des SPD-Landesparteitages, die morgen ins Blaue hinein ihre Zustimmung geben sollen.

Politik findet bei der SPD nicht mehr statt. Sie hat sich mit zweitrangigen Ressorts zufriedengegeben, auffälig zugeschnitten für die SPD-Verhandlungsführer. Dabei gilt es, modellhaft vorzuführen, wie eine aus den Zeiten des Mauerbaus aufgeblähte Verwaltung zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen umgebaut werden kann, ohne das soziale und kulturelle Netz der Stadt zu zerreißen. Doch weder wollte die SPD das ihr von der CDU angebotene Finanzressort übernehmen, noch kämpften die Sozialdemokraten um die für den öffentlichen Dienst zuständige Innenverwaltung.

Typisch für die SPD: Kaum schreit die Parteibasis auf, will kaum noch ein Mitglied der Verhandlungskommission für das Desaster verantwortlich sein. Das Angebot der CDU, extra für die Sozialdemokraten als Trostpflaster ein Ressort zu teilen, um zwei daraus zu machen, ist deshalb nur der letzte Akt des Trauerspiels. Die sozialdemokratische Politik in der Hauptstadt wird auf ein lächerliches Postengeschacher reduziert. Das ist ausnahmsweise mal nicht das Problem der CDU. Wenn die SPD noch kann, sollte sie darüber nachdenken. Gerd Nowakowski

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen