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LidokinoSemipazifistisch sexuell

■ Manches Banane bei Woody Allen und anderen Geistern

Selbst die New Yorker schauen erstaunt zum Himmel auf, in den sich ein „Hilfe“-Ruf einschreibt. Es ist aber kein Wunder, das hier statthat. Es ist der übliche Himmelsschreiber, der sein Werk vollführt, für Dreharbeiten zu einem Film, in dem der Star Nicole Oliver (Melanie Griffith) gerade seinen Auftritt hat.

Mit diesem Auftakt zu „Celebrity“ scheint freilich schon das Milieu auf, in dem sich Woody Allens aktuelle Heldin, die Lehrerin Robin Simon (Judy Davis), ihre Neurosen eingefangen hat: das des Katholizismus. Da sind allerdings Wunder, die auch Neurosen heilen, möglich. Und so lernt Robin nach dem Schock des Scheidungsverlangens ihres Mannes Lee (Kenneth Branagh) recht rasch den TV-Produzenten Tony Gardella kennen, der tatsächlich ein Mann zum Heiraten ist.

Robin wird ein berühmter Fernsehstar, indem sie andere Berühmtheiten in berühmten Restaurants aufspürt und interviewt. Kenneth „Lee Simon“ Branagh läuft währenddessen in bester Woody-Allen-Manier und daher recht vergeblich den 20 Jahre jüngeren Supermodels und Schauspielerinnen hinterher.

Die Story bietet also Raum für die Auftritte einiger realer Berühmtheiten. Donald Trump macht es zum Beispiel seiner Exfrau Ivana („Club der Teufelinnen“) nach und spielt sich selbst. Die Story bietet weiter Raum für die bekannten Jokes über Gott und die Welt, soll heißen Sex, Ehe, Alter etc.

Und sie bietet Judy Davis Raum für einen phantastischen Monolog. Wie sie der Prostituierten in ihrer Show zu erklären versucht, daß sie gerne Nachhilfeunterricht in Sachen Sex hätte, ist hinreißend. Daß sich Nina dann bei der Demonstration eines tadellosen blow job fürchterlich an der Banane verschluckt, ist zwar ein flacher Witz, der freilich trotzdem sitzt. Weil er von der Höhe dieses Monologs sanft zu den Niederungen des üblichen, recht harmlosen Dialog- Pingpongs hinabführt.

Keine katholische, sondern doch eine jüdische Komödie sorgt hier in Venedig langsam, aber stetig für Aufsehen. Keiner der Kritiker, die man fragt, hat Radu Mihaileanus „Train de vie“ gesehen (und man fragt, weil man ihn selbst auch nicht gesehen hat).

Aber die Publikumsvorstellung der Holocaust-Komödie, die gleich zu Beginn der Mostra lief, war allem Anschein nach ein rasender Erfolg. Acht Minuten Applaus reportierte der Corriere della Sera. Ein italienischer Radiojournalist machte sich nun in den letzten Tagen zum Fürsprecher der zahlreichen Fans des Films und mobilisierte sie zu einem „semipazifistischen“ Marsch auf dem Festspielgelände, um eine weitere Vorführung zu erzwingen. Tatsächlich wird es am Sonntag eine Sondervorstellung geben.

Um der Deportation zu entgehen, organisieren in „Train de vie“ die Juden eines kleinen osteuropäischen Schtetl einen Zug und behaupten, er würde für den Weg in ein Vernichtungslager vorbereitet. Die eine Hälfte der Schtetlbewohner spielt die Deportationsopfer, während die andere Hälfte die Nazis verkörpert. Das klingt schon etwas aufregender und mehr Lubitsch-like als Benignis schönes Leben, bei dem niemand außer ihm selbst komisch sein durfte.

Und damit kommt man zur Geschichte hinter der Geschichte. Mihaileanu hatte Benigni 1996 sein Drehbuch geschickt, um ihn für eine Hauptrolle zu gewinnen. Benigni hatte abgelehnt, um 1997 die Dreharbeiten zu „La vita è bella“ anzukünden.

Auf der Pressekonferenz – bei der ich war – verneinte Mihaileanu übrigens mit bewundernswerter Zurückhaltung jede Frage nach einem Plagiat von seiten Benignis. Der Geist, der ein loser Kerl ist, lästert derweil darüber, daß ich mir heute Bananen gekauft habe, obwohl sie das teuerste Obst im Supermarkt sind. Das hat man davon! Brigitte Werneburg

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