: Lido-Kino
What's God got to do with it? möchte man Godard (God- art?) fragen, aber dann wieder ist alles ganz einfach. „Helas pour moi“, das schönste Lichtspiel dieses Festivals, läßt Blitze zucken und Wellen über einen See gleiten, während ein Gott (Gerard De-par-Dieu) versucht, ein Mensch zu sein. Mit tiefer Blechstimme, die man aus „Shining“ oder dem „Exorzisten“ kennt, spricht er aus dem Körper von Simon Donne-a-Dieu zu Rachel, der Grausamen, die nicht weiß, was sie ihm geben soll, denn mit ihm in die Unsterblichkeit will sie nicht. Amphitryon, der Fliegende Holländer und wie die anderen armen Gespenster alle heißen — Godards Gott geht wie ein Täufer ins Wasser, den Observer unter dem Arm, mit einem Trenchcoat und Hut angetan, zum Lachen. Ein Zug donnert vorbei, zwei Männer reden darüber, wie man Sätze auseinandernimmt, das Abendlicht auf dem Wasser gefriert zum film still – alles ist gleich wichtig, alles spricht, alles fällt auseinander, alle machen weiter. „Dans Yougoslavie“, sagt einer, „il y a You, Gosse et la Vie.“
Aus dem Off wiederum spricht wer, der uns wissen läßt, daß er in einem anderen Land lebt, daß der Eine zugleich auch der Andere ist, und so fort: wilde, kleine Lacanismen ohne jede Anstrengung, eher mit Trauer darüber, daß die Wünsche ewig kreisen und nirgends ankommen. „Wir haben vergessen, wie man ein Feuer macht, aber wie man eine Geschichte erzählt, das wissen wir noch“ – spricht's und straft es Lügen. Am Ende treibt der Trenchcoat auf dem Wasser.
Ihr fünfzigjähriges Bestehen hat die Mostra di Venezia mit einer Retrospektive von Filmen aus dem Gründungsjahr gefeiert. „Dies Irae: Il Cinema dello 1943“, heißt die Reihe zündelnd. Von Viscontis „Ossessione“ über Leslie Arliss' „The Man in Grey“ bis zu Autant-Laras „Douce“ halten sich die Filme in ihrer Mehrzahl an den Rändern des Kriegsgeschehens auf oder verwandeln es vollends in eine Allegorie als überzeitliches Gesellschaftsdrama.
Auf unverständlich große Begeisterung stieß Abel Ferraras „Snake Eyes“, ein fulminanter Pas de deux von Madonna als tränenüberströmte Gena-Rowlands-Aspirantin und Harvey Keitel, der sich offensichtlich auf das Koks-Maniac-Fach kaprizieren möchte. Das Ganze ist ein ziemlich gelungenes Cassavetes-Revival, aber verbleibt im Rigor Artis.
Derweil herrscht bereits Abschiedsstimmung. Sehen wir uns in Berlin? Arrivederci!
Aus Venedig
Mariam Niroumand
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