Libyens Staatschef al-Gaddafi: Afrikas "König der Könige"
Muammar al-Gaddafi ist Exzentriker und regiert Libyen mit harter Hand. Seit langem propagiert er die Einheit des schwarzen Kontinents. Jetzt ist er Boss der Afrikanschen Union
Schon vor seiner Ankunft beim Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Addis Abeba sorgte Muammar al-Gaddafi für einen Eklat. Er komme nicht nur als libyscher Revolutionsführer, ließ er den verblüfften Staats- und Regierungschefs per Rundschreiben mitteilen, sondern als "König der afrikanischen Könige" - und erwarte, als solcher empfangen zu werden. Als Gaddafi äthiopischen Boden betrat, ließ er sich entsprechend von sieben traditionellen afrikanischen Königen begleiten.
Es sind Auftritte wie dieser, mit denen Gaddafi seinen Ruf als Exzentriker geprägt hat. Der im Regelfall ungekämmte politische Einzelgänger, nur echt mit Sonnenbrille und Dreitagebart, schlägt bei Staatsbesuchen Präsidentensuiten aus und stattdessen im Hotelgarten Beduinenzelte auf. Selbst jahrelangen Vertrauten gilt er als vollkommen unberechenbar, er berät sich mit niemandem. Als kürzlich in Guinea die Armee putschte, flog Gaddafi im Privatjet in die Hauptstadt Conakry und musste wieder abziehen, als klar wurde, dass niemand mit ihm sprechen wollte.
Dabei steht außer Frage, dass der 1942 nahe der libyschen Stadt Sirte geborene Gaddafi ein politisches Ausnahmetalent ist. Im September wird er den 40. Jahrestag seiner Revolution feiern lassen, des unblutigen Putsches, mit dem der damals 27-jährige Colonel Libyens König Idris absetzen ließ. In seinem "Grünen Buch", Gaddafis Pendant zur Mao-Bibel, verkündete er Libyens Alternative zu Sozialismus und Kapitalismus, der die Gründung von Volkskomitees und seines "Massenstaats" folgte.
Unternehmen wurden erst verstaatlicht, seit einigen Jahren wird wieder privatisiert. Denn dogmatisch ist Gaddafi nur bei einem: seiner unangefochtenen Führerschaft. Opposition und freie Presse werden brutal unterdrückt, bis vor einigen Jahren durften Ausländer das Land nur im Ausnahmefall betreten. Das lag auch daran, dass Gaddafi Terroristen aus aller Welt Unterschlupf gewährte, den Bau von Massenvernichtungswaffen ankündigte und den Anschlag auf ein PanAm- Flugzeug über Lockerbie anordnete. Erst seit er 2003 allem Terror abschwor, ist Gaddafi im Westen wieder gesellschaftsfähig.
In Afrika zieht Gaddafi an vielen Strippen: Er finanziert Rebellen im Tschad, im Sudan und vielen weiteren Ländern und macht zeitgleich Regierungen mit großzügigen Überweisungen willfährig. Außenstehende mag es da überraschen, dass Gaddafi sich ausgerechnet der afrikanischen Einheit verschrieben hat. Die Gründung der AU war vor allem seine Idee, Gaddafis immer wieder verkündetes Ziel sind die Vereinigten Staaten von Afrika. An deren Spitze: er selbst, Gaddafi der Erste, König der afrikanischen Könige. MARC ENGELHARDT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken