Libyen: Der geläuterte Handelspartner
Lange war Libyen wegen der Unterstützung des internationalen Terrorisus isoliert. Das wollten sich weder Europa noch die USA weiter leisten, zu viele Rohstoffe liegen unter dem Wüstensand
TANGER taz Rund 1,2 Millionen Ausländern leben im Staat von Mohammed Gaddafi. Die meisten davon haben aber keinen legalen Status, sondern sind Flüchtlinge aus den Ländern des südlichen Afrikas. Finden sie keine Arbeit, hoffen sie auf ein Boot, das sie nach Europa bringt.
Lange wurden diese Immigranten von den libyschen Behörden geduldet. Mittlerweile kooperiert Staatschef Muammar Gaddafi aber mit der Europäischen Union und schickte allein im vergangenen Jahr 64.330 illegale Immigranten zurück in ihre Heimatländer. Die neue Politik ist eine Folge der Attentate auf den PanAm-Jumbo über Lockerbie, die französische DC-10 über Niger und die Bombe in der Berliner Discothek La Belle. Für alle drei Attentate zahlt Libyen mittlerweile Entschädigungen an die Opfer.
Gemeinsam mit dem Ausstieg aus der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen machte das Land so den Weg frei für eine neue Politik mit Europa. Seither profitiert die EU bei der Abschottung gegen illegale Migranten von Libyen: 312 Menschenhändler verhafteten Gaddafis Beamte 2006, 72 Boote wurden konfisziert, ehe sie nach Europa kamen. Dabei gehen die Behörden nicht zimperlich vor. Die Regierung von Ghana hat sich offiziell über die schlechte Behandlung ihrer etwa 10.000 Staatsangehörigen in Libyen beschwert. Sie würden unter unmenschlichen Bedingungen repatriiert. Man würde ihnen ihre Pässe abnehmen und sie auch ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis sperren, lautete die offizielle Kritik. Ghana forderte von Libyen, dass künftig die Menschenrechte respektiert werden.
Aber darauf wird im Gaddafi-Staat nach Ansicht von Amnesty International und Human Rights Watch wenig Wert gelegt. Nach wie vor gibt es Fälle von Folter, die Pressefreiheit ist eingeschränkt, Kritik am Regime ist verboten, wer es trotzdem tut, riskiert hohe Gefängnisstrafen.
Den europäischen Ländern und den USA scheint dies wenig auszumachen. Als Tony Blair als erster westlicher Staatsmann nach dem Ende des Libyenboykotts Präsident Gaddafi im März 2004 besuchte, versicherte der damalige britische Premier, wie wichtig das alles für den Kampf gegen den Terror sei. Bestandteil des Treffens war die Unterzeichnung eines 550 Millionen Pfund schweren Abkommens zwischen Shell und der libyschen Regierung.
Für die EU und die USA ist das in jeglicher Hinsicht verwaiste Libyen ein Idealfall. Die Ölproduktion soll von 1,6 Millionen Barrel pro Tag auf 3 Millionen im Jahr 2012 angekurbelt werden. Gleichzeitig sollen die größten, noch nicht angezapften Ölreserven in Afrika erschlossen werden. Libyen sitzt noch auf rund 39 Millionen Barrel Öl. Chevron Texaco und Mathon/ConocoPhillips haben sich bereits 2005 ihre Schürfrechte gesichert. Sogar die China National Oil hat sich erfolgreich zur Suche nach Gas um eine Fläche von 40.000 Quadratkilometern Offshore beworben.
Im Gegenzug soll das altmodische libysche Bankensystem mit Hilfe aus dem Ausland auf internationalen Standard gebracht werden. Fünf Milliarden Dollar sind zudem nötig, die Infrastruktur des Landes zu verbessern. Zurzeit besuchen etwa nur 130.000 Touristen jährlich den nordafrikanischen Staat, was im Vergleich zu 6.000.000 jeweils in Marokko und Tunesien verschwindend gering ist. Im Jahr 2015 sollen sich eine Million Touristen an Libyens 1.100 Kilometer langer Küste sonnen.
Zu den besten libyschen Handelspartnern zählten im Jahr 2005 Italien an der Spitze, danach folgten die BRD, Tunesien, Großbritannien, die Türkei und Frankreich. Die EU stellte bereits Möglichkeiten zur Handelsoptimierung in Aussicht: spezielle Wirtschaftsabkommen, die irgendwann in einen Freihandel münden können, wie im Falle von Marokko. Nur muss Libyen bestimmte Bedingung erfüllen, zu denen Menschenrechte und demokratische Reformen gehören. Doch das kann noch lange dauern.
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