Liberia nach dem Bürgerkrieg: Die Bananenmörder von Maryland
Liberia erholt sich nur mühsam von den Folgen eines brutalen Bürgerkrieges. Eine Serie schauriger Morde erschüttert das Land mit einer der weltgrößten UN-Missionen.
HARPER taz Liberia, ein Land im Frieden? Eine Gewaltwelle überzieht das kleine westafrikanische Land, das sich erst allmählich von den Folgen eines brutalen 13 Jahre dauernden Bürgerkrieges erholt. Es gründen sich Bürgerwehren, die Regierung hat die Todesstrafe für bewaffnete Raubüberfälle eingeführt. Auf einer Farm in der Nähe der Hauptstadt Monrovia wurden vor kurzem über ein Dutzend Männer hingerichtet - Ergebnis einer Landstreitigkeit. Es wunderte nur wenige, dass der Chef der mutmaßlichen Täter ein ehemaliger Warlord war. Hunderte Kilometer weiter im Südosten des Landes, in der Provinz Maryland mit der Hauptstadt Harper, wurden Leichen entdeckt, denen auf krude Weise Organe entnommen worden waren - traditionelle Medizin für die nächsten Angriff, gehen nun die Gerüchte um. Ein weiterer Mord erschüttert Harper einige Tage später. Der Leiche fehlen unter anderem, so ein Augenzeuge, die Augen, der Mund, die Ohren, das Herz und auch der Anus, so dass die Gedärme unten herausquellen. In Liberia heißt das "banana murder".
In Berlin hat gestern eine zweitägige Armutsbekämpfungskonferenz für Liberia begonnen. Unter Leitung der Bundesregierung und der Weltbank sollen Mittel zur Finanzierung des Armutsbekämpfungsprogramms der 2005 gewählten Regierung von Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf mobilisiert werden. Zur Eröffnung sagte Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die Bundesregierung werde 10 Millionen Euro in den multilateralen "Liberia Reconstruction Trust Fund" einzahlen. Liberianische Medien berichten, die Regierung gehe von Korruptionsvorwürfen überschattet in die Konferenz.
Wenn es um Sicherheit geht, bauen in Liberia viele lieber auf die UN-Blauhelmmission, die dem Land Stabilität gebracht hat, seit 2003 der damalige Präsident und fühere Guerillachef Charles Taylor, der inzwischen vor Gericht steht, gestürzt wurde und 2005 freie Wahlen die derzeitige Staatschefin Ellen Johnson-Sirleaf an die Macht brachten. Es ist die zweitgrößte UN-Mission der Welt nach der in der Demokratischen Republik Kongo, und mit annähernd 15.000 Soldaten aus mehr als drei Dutzend Ländern und tausenden UN-Mitarbeitern, darunter über 1.000 Polizisten, ist sie die stärkste im Vergleich zur Größe des Einsatzlandes.
Nur UN-Soldaten und UN-Polizisten dürfen in der Öffentlichkeit Schusswaffen tragen. Der eigenen Polizei und Armee vertraut der Staat nach wie vor keine Waffen an. Noch immer werden zu viele dubiose Gestalten und notorische Gewaltverbrecher in der Polizei vermutet. Nur die UN-Polizei führt überhaupt ein Ermittlerteam für Morde, in der Hauptstadt Monrovia - weshalb die Banana-Mörder im fernen Harper wohl keine Angst haben müssen. Aber obwohl die nur gut 1.000 UN-Polizisten nicht im Entferntesten das ganze Land patrouillieren können, vermittelt deren Präsenz den Liberianern mehr Sicherheit als die heimischen Sicherheitskräfte.
Das alles stellt die UN vor ein Dilemma. In zwei Jahren soll die UN-Mission enden. Aber: "Die internationale Gemeinschaft hat zu viel in die Friedensmission in Liberia investiert, als dass sie sich nun überstürzt und ohne die Situation abwägend zurückziehen würde", sagt UN-Missionssprecher George Somerwill. Es ist unwahrscheinlich, dass der liberianische Staat bis 2010 die UN ersetzen kann.
Über den Banana-Mord sind die Menschen von Harper entsetzt. Ritualmorde in Friedenszeiten kamen zuletzt in den 70er-Jahren vor, sagt Walter Collins, ein Mittfünfziger in der Stadt. Die Bürgerkriegszeit der 90er-Jahre rechnet keiner mit. Denn da gab es sowieso keine Hemmschwellen. Aber vor dem Krieg, erinnert sich Collins, ließ die Regierung Banana-Mörder mit Hilfe von Medizinmännern suchen. So habe man immer die Täter gefunden und sie seien auch immer geständig gewesen. Jetzt kann Collins nicht begreifen, warum die Regierung entschieden hat, dass Banana-Mörder nur von der Polizei gesucht werden dürfen. "Das bedeutet, die Regierung will die Mörder nicht finden - also ist auch sie schuldig", sagt Collins.
Die Regierung versucht, den Konflikt, der in der Region um Harper tobt, auf andere Weise zu lösen: Versöhnung. Die "Seaside Grebo" und "Bush Grebo" sind tödlich verfeindet, obwohl sie zur selben Ethnie gehören und dieselbe Sprache, gar denselben Dialekt sprechen. Der Unterschied liegt darin, dass die einen am Wasser leben, die anderen ein paar Kilometer im Landesinneren. Die Ländereien zwischen den beiden Siedlungsgebieten sind umstritten. So wird aus einer kriminalistischen Untersuchung von Ritualmorden die soziale Betrachtung eines Landkonflikts, statt Tätersuche betreiben die Behörden Konsensfindung. Das heißt, die Ältesten oder Gemeindevertreter zusammenzurufen. Das aber braucht Zeit. Und diese gibt es nicht. Denn mit dem Beginn der Regenzeit müssen die Bauern für die kommende Ernte aussäen. Nun aber trauen sich die Farmer wegen der Gewalt nicht auf ihre Felder. Eine Sprecherin der lokalen Entwicklungsbehörde fürchtet bereits, dass die betroffenen Gemeinden im kommenden Jahr Hunger leiden werden.
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