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Liberation

DIE ANDEREN

Sackgasse droht

Nach über drei Wochen, in denen sich die Gegner in der Wüste spannungsgeladen gegenüberstehen, hat die Krise noch nicht zu der raschen Apokalypse geführt, die ihr vorausgesagt wurde, ohne daß sich jedoch ein sichtbarer Ausweg zeigte. Zwischen dem Wunschbild einer diplomatischen Lösung und dem teuren Weg einer militärischen Konfrontation zeichnet sich eine dritte Möglichkeit ab, die von Militärs wie Diplomaten gefürchtete Sackgasse. Die Diplomatie, von Javier Perez de Cuellar aktualisiert, hat morgen in Amman ihre erste Chance. ... Der gestrige Erlaß, der Kuwait zur irakischen Provinz macht, ändert nichts an der Tatsache der Annexion, aber macht im Vorfeld des Treffens von Amman erneut deutlich, was Saddam Hussein als nicht verhandelbar ansieht.

Zum Golfkonflikt

... angenommen, Präsident Hussein sagt Ja und zieht sich auf seine Grenzen zurück. Könnte sich die Welt sicher fühlen, während er noch immer sein enormes Potential für eine künftige Aggression aufrecht erhält? Die Bedingungen der Vereinten Nationen würden dem Irak eine Armeestärke von einer Millionen Mann sowie ein Arsenal von chemischen Waffen und ein nukleares Potential belassen...

Das Problem ist klar: Die UNO-Resolutionen gehen nicht weit genug. Weiter gesteckte Ziele sind notwendig - die Risiken einer künftigen irakischen Aggression müssen abgebaut und eine (den USA) feindliche Kontrolle des Golföls verhindert werden. Zu diesem Zweck würde der Irak der Vernichtung seiner Chemie- und Atomwaffeneinrichtungen zustimmen müssen sowie eine glaubhafte internationale Kontrolle akzeptieren müssen. Dies würde durch umfassende Garantien und eine internationale Truppe zur Überwachung der Grenzen begleitet sein...

Es ist an Präsident Bush, die Notwendigkeit einer umfassenden Annäherung an den Frieden zu erkennen, und dann andere von den Risiken einer zu kleindimensionierten Lösung zu überzeugen. Falls das irakische Militär intakt bleiben und wachsen darf, könnte die jetzige bemerkenswerte Entschlossenheit der internatinalen Gemeinschaft zum Widerstand gegen die Aggression vergeblich gewesen sein.

„Alle“ haben Hussein unterstützt

Auf ausgewählte kurdische Dörfer fielen irakische Bomben mit Nervengas... Die Revolutionsgarden Irans filmten und fotografierten das Inferno. Doch für den Westen war damals der (iranische Revolutionsführer) Khomeini der Erz -Beelzebub. Niemand machte sich die Mühe, Hussein zu entlarven. Für Amerika, das durch die Besetzung der US -Botschaft in Teheran gedemütigt war, war der Irak stellvertretend der Rächer. Die ermordeten kurdischen Kinder, paßten nicht in dieses Bild. Und so.. nahm niemand Anstoß an der Verherrlichung Husseins in Bagdad. Während die Welt gegen politische Hinrichtungen in Iran laut protestierte, wurde über den Völkermord im Irak höchstens in zweizeiligen Meldungen berichtet. Husseins Größenwahn ist das Ergebnis dieser Blindheit von einst.

Falsches Vorgehen

Mit ihrem falschen Vorgehen hat die Regierung das Argument ihrer Gegner gestärkt, Spanien handle unter äußerem Druck. Der Regierung kann nicht unbekannt sein, daß Teile der spanischen Öffentlichkeit besonders empfänglich für die Idee sind, unsere Außenpolitik sei entscheidend davon beeinflußt, was in Washington beschlossen wird. Doch in diesem Falle besteht ein wesentliches Argument für die Entsendung der Schiffe gerade darin, daß die Rückenstütze für die UNO -Beschlüsse im Golf nicht exklusiv nordamerikanisch sein darf. Je mehr die europäischen Länder präsent sind, umso mehr Gewicht haben sie, damit die Krisenlösung nicht nur die Ziele der USA berücksichtigt, sondern eine europäische Konzeption, die flexibler ist, offener für die Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten, mehr zu politischen Lösungen geneigt, natürlich auf der Basis des von der UNO verlangten Rückzugs des Irak aus Kuwait.

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