piwik no script img

Liberalitas bavariae

■ Krenz-Lesungen in München abgesagt / Ehemalige SED-Generalsekretär wollte sein Buch vorstellen / Die CSU interveniert und protestiert / Der Verlag macht einen Rückzieher

Nürnberg (taz) - Nach massivem Druck von CSU-Generalsekretär Huber und der örtlichen Jungen Union mußten die in München und Erding geplanten Lesungen des ehemaligen SED-Chefs Egon Krenz abgesagt werden. Krenz wollte wie schon in anderen Städten der Bundesrepublik sein Buch Wenn Mauern fallen vorstellen. CSU-Generalsekretär Huber hatte das Auftreten von Krenz schon im Vorfeld als „geschmacklos“, „Gipfel des Zynismus“ und „Beleidigung für unsere Landsleute in der DDR“ bezeichnet. Krenz wolle nur möglichst gewinnbringend sein Buch verkaufen. Allein diese „kapitalistischen Methoden“ belegten die „Unglaubwürdigkeit, ja Charakterlosigkeit dieses Mannes“, ereiferte sich Huber. Der Kreisverband München-Süd der CSU-Nachwuchsorganisation Jungen Union hatte angekündigt, man werde alles unternehmen, damit Krenz nicht reden kann.

Die Drohgebärden hatten zunächst keinen Erfolg. Das Münchener Landratsamt hatte noch am Freitag keine Veranlassung gesehen, den Mietvertrag für die Lesung in der Halle des Gymnasium im Stadtteil Solln zu kündigen. Auch das bayerische Kultusministerium zeigte Souveränität. Man verlasse sich auf den „kritischen Verstand“ der Schüler und gehe davon aus, daß es „Herrn Krenz nicht gelingen wird, sie zum Kommunismus zu bekehren“. Einen Tag später zog jedoch der zuständige Zweckverband seine Genehmigung zurück. Daraufhin sagte der Paul Neff Verlag in Wien als Veranstalter die bereits ausverkauften Lesungen ab. Die „Kalte-Kriegs-Ausfälle“ des CSU-Generalsekretärs hätte ein persönliches Sicherheitsrisiko für Krenz mit sich gebracht. Bei seinem Auftritt in Karlsruhe war Krenz von einem ehemaligen DDR-Bürger zweimal geohrfeigt worden. Ein Sprecher des Paul Neff Verlages bezeichnete das Gerangel um die Krenz-Lesung als „demokratieunwürdigen Vorgang“. Offensichtlich wolle man die bis zur Wende in der DDR herschende Intoleranz „nunmehr nach München“ übertragen.

Bernd Siegler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen