Liberale suchen Halt: Mit angezogener Handbremse

Beim Parteitag der Niedersachsen-FDP tritt Umwelt-Staatssekretär Stefan Birkner für die Wahl zum Landeschef an. Neuer Umweltminister wird er vorerst nicht - Amtsinhaber Sander klebt an seinem Stuhl.

Mag seinen Stuhl nicht räumen: Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP). Bild: dpa

HANNOVER taz | Es wird wohl Stefan Birkner: Aller Voraussicht nach wählt Niedersachsens FDP beim Sonderparteitag am Sonntag den Staatssekretär im hannoverschen Umweltministerium zum neuen Landeschef. Er ist bislang der einzige Kandidat für die Nachfolge von Philipp Rösler, der mittlerweile zum Bundesparteichef aufstieg. Gehandelt wird Birkner auch als Nachfolger von Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Darauf allerdings wird der 38-Jährige noch warten müssen: Sander hat wenig Lust, abzutreten.

Dabei war es Sander selbst, der Birkner für den Landesvorsitz ins Gespräch brachte, als sich im Frühjahr abzeichnete, dass Rösler im Bund Guido Westerwelle als FDP-Chef ablösen wird. Zugleich kündigte Sander an, seinem Staatssekretär den Ministerposten zu überlassen. Vor dem Parteitag allerdings will er sich auf kein Datum festlegen: "Irgendwann", lässt er verlauten, "gibt es einen Zeitpunkt, an dem ich sagen werde, wie es mit mir weitergeht."

Das sorgt für Unmut - nicht nur in der Opposition, die den Abtritt des lange Zeit unbeirrbaren Atomkraft-Anhängers kaum erwarten kann: Sie erhofft sich von Birkner zwar keine neuen umweltpolitischen Impulse, sondern ein "Weiterverwalten" des Ministeriums. Immerhin aber gilt Birkner als fachlich kompetent - und manchem als einer der letzten Liberalen "von Format".

Den 66-jährigen Sander sähen auch viele Parteifreunde lieber als Königsmacher, denn als Kabinetts-Urgestein: Birkner wird als Parteichef nur mit angezogener Handbremse als Parteichef agieren können, denn die Rechtslage verpflichtet den verbeamteten Staatssekretär zur politischen Zurückhaltung. Und weil er nicht zum Kabinett gehört, kann er der Koalitionspartnerin CDU nur schwer auf Augenhöhe begegnen.

Sander aber sieht das offenbar anders: Birkner müsse sich als Landeschef "erst mal um die Menschen in der Partei kümmern", der gebeutelten FDP "die Seele streicheln" und "Präsenz zeigen" in Orts- und Kreisverbänden. Bei der Kommunalwahl vor knapp zwei Wochen war die FDP auf gerade mal 3,4 Prozent der Stimmen landesweit gekommen - die Hälfte weniger als 2006. Noch-Landeschef Rösler war im Wahlkampf keine große Hilfe: Der einstige Hoffnungsträger der Nord-FDP kämpft derzeit dagegen, in Berlin desaströs zu scheitern.

Aus mittlerweile fünf Landtagen ist die Partei in diesem Jahr geflogen. Auch in Niedersachsen wird es bei der Landtagswahl 2013 weniger um die Frage eines Wiedereinzugs ins Kabinett gehen, denn um den Wiedereinzug ins Parlament. Der designierte Landeschef Birkner gibt sich optimistisch: Mit "Verlässlichkeit" werde man es aus dem Tief schaffen, sagt er. "Wohltuend" müsse man sich "vom Kurs im Bund absetzen". Die Jobbeschreibung seines Dienstherrn Sander nimmt er gelassen: Die sei "im Grundsatz richtig", sagt Birkner, die Basisarbeit müsse "großen Raum einnehmen". Sanders Rücktritt vom Rücktritt kommentiert Birkner nicht.

Dem Noch-Minister gehe es vor allem um seine Altersversorgung, glaubt die Opposition zu wissen. Derzeit überarbeitet der Landtag das Beamtenversorgungsrecht. Nach dem Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb könnte sich Sanders Pension erheblich verbessern - wenn er im Amt bleibt, bis das Gesetz verabschiedet ist.

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