Leuchten der Menschheit von Barbara Bollwahn : Im Giftschrank der DDR
Jedes Jahr, das der Fall der Mauer noch ein Stück in die Vergangenheit rückt, werden die Wissenslücken derer, die diese Zeit und die Existenz der DDR nicht selbst erlebt haben, größer. Es gibt Jugendliche, die glauben, die Straße des 17. Juni in Berlin, die an den Volksaufstand 1953 erinnert, sei nach dem Datum der Loveparade benannt, oder Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit, sei ein Schriftsteller gewesen. Viele wissen auch nicht, wofür die drei Buchstaben DDR stehen, und wollen es oftmals auch gar nicht wissen.
Dabei kann es relativ leicht sein, das Interesse zu wecken – indem man zum Beispiel Defa-Filme anschaut. Eine wunderbare Adresse dafür ist das Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum in Berlin, das regelmäßig Filmreihen dazu zeigt.
„Verbotene Utopie“ heißt das im Verlag Bertz + Fischer erschienene Buch, das die Auswirkungen des 11. Plenums des Zentralkomitees der Partei beschreibt, das zu den wichtigsten kulturpolitischen Zäsuren der DDR-Geschichte zählt und das Defa-Studio besonders hart traf. Zwölf Spielfilme wurden verboten, in der Produktion gestoppt oder in den Giftschrank verbannt. Herausgeber des Buches, das die Entstehungs- und Verbotsgeschichte dieser Filme beschreibt, die erst in den letzten Monaten der DDR uraufgeführt wurden, sind Ralf Schenk, Vorstand der Defa-Stiftung, und der Filmwissenschaftler Andreas Kötzing.
Auch wenn das Kahlschlag-Plenum und seine Auswirkungen vielfach analysiert wurden, ist es eine gute Entscheidung der Defa-Stiftung, gesellschaftskritischen Filmen, die zum Tabu wurden, „Das Kaninchen bin ich“, „Spur der Steine“, „Eine Reise ohne Ankunft“ und andere, ein weiteres Buch zu widmen, mit Essays, Chroniken und zum Teil bisher nicht veröffentlichten Dokumenten. Die mehr als 500 Seiten umfassende Publikation enthält eine CD mit Tondokumenten des 11. Plenums vom Dezember 1965, zudem sind zehn der zwölf verbotenen Filme in einer DVD-Edition bei Icestorm erschienen.
Die Autorin ist Schriftstellerin in Berlin
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