Letztes Geleit für Bommi Baumann: Immer in der ersten Reihe

Der Haschrebell wurde am Freitag beerdigt. Obwohl er nur zwei Jahre lang Aktivist der Bewegung 2. Juni war, wurde er immer darauf reduziert.

Bommi Baumann

Bommi Baumann bei der Beerdigung von Fritz Teufel 2010 Foto: imago/Kai Horstmann

Berlin taz | Freitagmittag. Es ist ein schöner Sommertag auf dem Georgen-Parochial-Friedhof 2. Nicht weit von hier hatte Bommi Baumann gewohnt. Der berühmte Exterrorist, einer der Stars der antiautoritären Revolte von 1968, war am 19. Juli 2016 gestorben.

Vielleicht 60 Freunde, Weggefährten, Verwandte, sind gekommen, um sich von Bommi zu verabschieden. Nur wenige sind unter 60. Kaum jemand trägt die Signaturen vergangener Subkulturen.

Ulrich Enzensberger, der die berühmte Berliner „Kommune 1“ mitgegründet und 2010 bei der Beerdigung von Fritz Teufel die Trauerrede gehalten hatte, und Christian Ströbele sind die einzigen Prominenten unter den Trauergästen.

Man steht etwas unsicher und traurig in der Sonne vor der roten Kapelle und hat seine Stimme noch im Kopf. Eigentlich erstaunlich, dass Bommi so alt geworden ist. Die meiste Zeit seines Lebens – mit 15 Jahren Pause – war er opiatabhängig gewesen, weil er „diese Welt nicht nüchtern ertragen“ konnte, und hatte lange auch viel getrunken.

20 Jahre zuvor ist Rio Reiser gestorben. Die beiden kannten sich. Der berühmteste Song von „Ton, Steine, Scherben“, „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, ist mit seinem Namen verbunden. Unter dem Slogan war „Freiheit für Bommi“ gefordert worden und er war stolz darauf, dass er beim „Rauchhaus-Lied“ mit dabei war im Hintergrundchor.

Als Kleinstadt-Teenager hatte ich sein Buch „Wie alles anfing“ (1975) gelesen. In der „autobiographischen Darstellung eines jugendlichen Arbeiters, der unmittelbar an der Entstehung gewaltsamer Aktionen beteiligt war“, beschreibt, erklärt und kritisiert Bommi seine Entwicklung zum „Stadtguerilla“, heißt es im Vorwort dieses hervorragenden Buches, das zeitweise verboten war und mehr als 100.000 Mal verkauft wurde.

Als Teenager war man sehr beeindruckt davon, dass es einmal einen „Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen“ gegeben hatte. Bommi Baumann eignete sich nicht nur wegen seines einprägsamen Namens gut als Idol, sondern auch, weil er früh ausgestiegen war, weil er lange auf der Flucht war in fernen Ländern, weil er sich für Musik und Drogen interessiert hatte, weil er und seine Freunde ausgesehen hatten wie Rockstars in einer Zeit, als es kaum deutsche Rockstars gegeben hatte.

Michael Sontheimer erzählt, wie er ­Bommi zum ersten Mal zum taz-Interview getroffen hatte, 1980 in Rom

In der roten Kapelle erinnert Till Meyer, ehemaliges Mitglied der Bewegung 2. Juni, an Bommi als politischen Kämpfer. Erzählt, wie Bommi ihm damals imponiert hatte, weil er immer in der ersten Reihe so furchtlos auf die Polizisten losgegangen war. 2007 hatte er mit Bommi noch ein Buch veröffentlicht, „Radikales Amerika. Wie die amerikanische Protestbewegung Deutschland veränderte“.

Seine Rede wird zweimal kurz unterbrochen, weil ein Handy klingelt mit dem Klingelton „Gloria“ von van Morrisson.

Dann spricht Micha Sontheimer vom Spiegel, der ehemalige taz-Chef und taz-Gründer, der mit Bommi dreißig Jahre befreundet gewesen war. Erzählt, wie er Bommi zum ersten Mal zum taz-Interview getroffen hatte, 1980 in Rom. Damals reiste Bommi auf der Flucht zwischen Goa, Rom und London hin und her und identifizierte sich mit der Punkbewegung.

1986, nach seiner 5-jährigen Haftstrafe, hatten sie in Hamburg ein halbes Jahr zusammen gewohnt. Aus Interviews war das Buch „HiHo“ entstanden, das 2007 mit dem „unangenehmen Untertitel“ „Die abenteuerliche Flucht eines Ex-Terroristen“ wieder aufgelegt wurde.

„Ex-Terrorist ist ein merkwürdiger Beruf“ und „heißt, ein Mann der Vergangenheit zu sein“. Auch wenn Bommi nicht mehr als zwei Jahre Aktivist der Bewegung 2. Juni gewesen war, wurde er sein ganzes Leben mit dieser Zeit identifiziert. Seine Versuche, dieser Rolle zu entkommen, gelangen nur kurz: Eine Weile kellnerte er in der Kneipe Kuckucksei; nach seinem Entzug arbeitete er als Bauleiter, bis­ ­Hepatitis C bei ihm diagnostiziert wurde. Die Interferon-Therapie war sehr belastend.

Eine Art Onkel

Sontheimer erinnerte an Bommi als großartigen, humorvollen Erzähler. Ohne die Frauen an seiner Seite wäre er nicht so alt geworden. „He was a character“, würden Engländer über Bommi sagen. Der Bluesklassiker „So many roads“ von Otis Rush wird gespielt, mit dessen Zeilen „Wie alles anfing“.

„Auf zum letzten Geleit“, sagt der Totengräber und später dann, „damit ist die feierliche Beisetzung beendet und ich beginne das Grab zu schließen.“

Für L. war Bommi eine Art Onkel gewesen. Er erzählt von dem Mikroskop, dass ihm Bommi vor so vielen Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte und von dem Bild, dass er als Kind mal für Bommi gemalt hatte. Und dass er es, anstatt es wegzuschmeißen, mit einem Goldrahmen eingerahmt und aufgehängt hatte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.