: Letzte Wege ohne Extras
■ Designer-Särge verkaufen sich in Bremen nicht, Hanseaten lieben das Meer als Ruhestätte
Dr. Boehlkes Sarg ist ockerfarben und hat eine zarte Goldkante. Der Sargbesitzer erfreut sich bester Gesundheit, kann aber schon mal im Sarg probeliegen. Solche von Künstlern individuell gestalteten Designer-Särge werden vom Bestattungsunternehmer Grieneisen in Berlin bereits mit Erfolg vermarktet. Doch in Bremen sind solche Experimente nicht angesagt.
„Jede Zeit hat ihre Stunde“, findet Klaus Meyer-Heder vom „Bestattungshaus Niedersachsen“. Doch neben dieser philosophisch angehauchten Phrase hat der Bestatter noch ein ganz anderes Problem im Sinn: Die von Künstlern individuell gestalteten Designer-Särge finden nämlich in Bremen keine Abnehmer.
„Designer-Särge sind in Bremen noch weniger als die Ausnahme“, sagt Horst Kappmeyer vom „Verband deutscher Bestattungsunternehmer“in Bremen. In der Stadt mache sich nämlich eine ganz neue „Entsorgungsmentalität“breit. Rund 70 Prozent der Menschen setzen auf Feuerbestattung, fast 28 Prozent davon lassen sich gar ganz anonym auf einem Gräberfeld bestatten. „Wir haben einen steigenden Trend hin zur Feuerbestattung“, sagt Kappmeyer. Denn die ist mit 5.000 Mark noch billiger als ein Abschiednehmen mit Sarg (bis zu 8.000 Mark samt Trauerfeier).
Kostspielige Experimente seien zur Zeit mit den Bremern nicht zu machen, meint der Bestatter Klaus Meyer-Heder. Immerhin kostet ein Designer-Sarg zwischen 2.000 und 10.000 Mark. Herkömmliche Modelle sind dagegen schon für 1.000 Mark aufwärts zu haben. Doch neben dem Geld bestimmt auch ein diffuses Traditions-Gefühl die Bestattungszeremonie: „Wer probiert schon etwas völlig Neues aus, wenn eigentlich das Ende kommt“, fragt sich Meyer-Heder. In Berlin, wo eine junge Subkultur gedeihe, sei man wohl weiter. Aber selbst Hansestädter um die 30 würden bei der Beerdigung der Oma keine Spielereien wagen. „Übliche Formen geben trauernden Menschen einfach Sicherheit“, sagt er.
Die Kundschaft stehe aufs althergebrachte, bestätigt auch das Bremer Bestattungsinstitut Schomaker. In einem Keller mit Fototapete haben die Schomakers einige Sargmodelle zur Ansicht aufgestellt: ob Kiefer, Eiche oder Mahagoni: Die BremerInnen mögen es lieber schlicht. „Designer-Särge haben wir selbstverständlich auch im Sortiment“, sagt der junge Mann und zeigt auf zwei unscheinbare Modelle. Der Designer-Sarg, Modell „Die Brücke“, sieht aber eher aus, als sei er in Massenproduktion in einer Sargfabrik vom Band gerollt: Metallic grau, fast schon holzimitiert mit Brücken-Einstanzungen an der Seite. „Das ist ein manuell gefertigtes Einzelstück“, verrät der Herr, „davon verkaufen wir aber eh nur drei im Jahr“.
Der „Sarg als Stiefkind der Gesellschaft“– mit dieser Analyse ging vor vier Jahren die Ausstellung „Vom Totenbaum zum Designer-Sarg“im Kasseler Museum für Sepulkralkultur an den Start. Das „eindeutige Todessymbol“löse Angst, Furcht und Abscheu aus – und werde deshalb so schnell wie möglich mit Blumen bedeckt, um dann sofort unter der Erde zu verschwinden.
Doch solch krasse Analysen weist der Bremer Bestatter Meyer-Heder von sich. Die „äußere Form eines Sarges“sei nicht so wichtig. „Viel bedeutsamer ist doch, daß sich der Inhalt der Trauerfeiern langsam aber bedächtig verändert.“Daß Kinder längst am Grab stehen und auch im Aufbahrungsraum Abschied von der Oma nehmen, gefällt dem 60jährigen. Daß jetzt moderne CDs statt schnöder klassischer Trauermusik gespielt werden, hebt auch Margarete Breiling-Schomaker vom Bestattungsinstitut „Schomaker“als etwas Besonderes hervor. „Wir gestalten die Trauerfeier so, wie die Verwandten es wollen. Und wie sie dem Verstorbenen entspricht.“
Da darf es dann auch schon mal der Brautschuh, die Motorradzeitschrift oder der Kuhfuß sein, der ganz gewollt mit in den Sarg oder die Urne wandert. Auch Freunde und Verwandte von Aids-Opfern nehmen Abschied mit einer althergebrachten Hausaufbahrung.
Lediglich bei den Kindern hätte sich die Sarggestaltung verändert: Ein bunter Kindersarg mit Sonne, Mond und Sternen – so spielerisch gestalten Bestattungsinstitute heute den Abschied von jungen Verstorbenen. All diese langsamen Veränderungen findet Bestatter Meyer-Heder „völlig in Ordnung“. Schließlich könne man „die Form auch so ändern und muß dafür nicht Tausende von Mark für einen Designer-Sarg ausgeben“. kat
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