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Letzte Warnung der KlimaforscherKlima-Ziel kaum noch erreichbar

Temperaturanstieg von "nur" 2 Grad wird laut neuem Bericht sicher übertroffen. Wissenschaftler fordern dringend ein neues Klimaschutz-Abkommen.

Ist die Erwärmung der Atmosphäre nicht mehr auf 2 Grad zu begrenzen kann der Klimawandel außer Kontrolle geraten. Bild: dpa

Es ist die letzte Warnung der Wissenschaft an die Adresse von Politik und Wirtschaft, beim UN-Klimagipfel im Dezember schnell und drastisch zu handeln. Denn sonst steht unsere Zivilisation auf dem Spiel. Wissenschaftlich formuliert heißt das, es "bewegen sich viele Klima-Indikatoren über die Grenzen, in denen sich die gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftsform erfolgreich entwickelt hat".

Das ist eine der zentralen Aussagen im "Synthese-Report" der "internationalen Allianz der Forschungs-Universitäten", der am Donnerstag in Brüssel vorgestellt wurde. Wenn nicht "schnell, langfristig, effektiv und global koordiniert" gehandelt werde, sei die Erwärmung der Atmosphäre nicht mehr auf zwei Grad zu begrenzen: Dann würde der Klimawandel unkontrollierbar, weil etwa große Eismengen schmelzen und die Permafrostböden auftauen. Der Klimawandel würde sich selbst verstärken.

Der Bericht ist die Zusammenfassung der Ergebnisse einer Konferenz der Klimawissenschaften zu "Globalen Risiken, Herausforderungen und Entscheidungen im Klimawandel", der im März in Kopenhagen stattfand. Die Autoren, unter ihnen Lord Nicholas Stern (London), Hans Joachim Schellnhuber (Potsdam/Oxford) und Katherine Richardson (Kopenhagen), sehen in dem Papier aber noch mehr: Die Fortschreibung des IPCC-Berichts von 2007, der die Welt aufrüttelte.

Auch der "Synthese-Report" hat dazu das Zeug. Vor allem bei der Entwicklung von Emissionen und Temperaturen schrillen laut die Alarmglocken. Denn bereits heute entspricht die Wirkung aller Treibhausgase einer CO2-Konzentration von 400 ppm (Teile pro Millionen). Eine Grafik zeigt: Sollte das heutige Niveau gehalten werden, wäre die Chance immerhin noch 1:4, zwei Grad Erwärmung zu überschreiten - die Grenze, hinter der der gefährliche Klimawandel beginnt. Und eine Beschränkung der Treibhausgase auf 450 ppm bringe die Chance, unter der gefährlichen Schwelle von 2 Grad zu bleiben, auf 50:50. Weil aber die Emissionen weiter anhalten und steigen, ist "ein Überschießen der Konzentration von Treibhausgasen jenseits der 2-Grad-Marke unvermeidlich", heißt es in dem Papier. Das ist die schlechte Nachricht. Es gibt aber darin auch zwei halbwegs gute Neuigkeiten. Erstens: Schon bisher kühlen die Aerosole, winzige Schwebeteilchen in der Luft, das Klima. Ohne sie liegt der Anteil der Treibhausgase bereits mit 463 ppm deutlich über der Gefahrenschwelle. Dreckige Luft hilft also dem Klima - nicht schön für die Luftreinhaltung, aber eine Atempause für die Erderwärmung.

Und zweitens: Ein "Überschießen" der Treibhausgase lässt sich zumindest teilweise wieder rückgängig machen, meint Veronika Huber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Mitautorin des Berichts: "Vor allem Methan und Stickoxide, die sehr zur Erwärmung beitragen, werden vergleichsweise schnell in der Atmosphäre abgebaut." Natürlich brauche man trotzdem "sofortige und drastische Reduktionen bei den Emissionen aller Treibhausgase", um das 2-Grad-Ziel langfristig zu halten. Aber weniger Methan und Stickoxide könnten auch hier eine längere Galgenfrist bringen.

Das alles bedeutet keine Entwarnung. Ganz im Gegenteil. Der Bericht schließt die Lücken des IPCC-Berichts mit drastischen neuen Fakten: So sehen die Forscher nun einen Anstieg des Meeresspiegels bis auf einen Meter bis zum Jahr 2100 als erwiesen an - hunderte Millionen von Menschen sind damit bedroht. Die Wahrscheinlichkeit hat sich deutlich erhöht, dass selbst bei Erreichen des 2-Grad-Ziels manche "Kipppunkte" überschritten werden und ein unkontrollierter Klimawandel beginnt.

Und der Bericht erinnert daran, dass das hauptsächliche Klimagas Kohlendioxid fast ewig in der Atmosphäre verbleibt: Selbst wenn alle Treibhausgase auf null zurückgingen, "würden die globalen Temperaturen in den ersten tausend Jahren danach kaum sinken".

Wichtig ist den Wissenschaftlern eine Vereinbarung, bei der schnell und deutlich die Emissionen sinken - nur etwa bis 2015 ist laut ihren Unterlagen dafür Zeit. Danach müssen die Emissionen drastisch sinken. Dieses Abkommen soll im Dezember in Kopenhagen geschlossen werden, fordert die internationale Elite der Klimaforschung. "Nicht handeln ist unentschuldbar", warnen sie.

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6 Kommentare

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  • T
    thiotrix

    IPCC-Berichte - nichts als Kaffeesatzleserei!

     

    Gegenwärtig ist es nicht möglich, daß Wetter auch nur für eine Woche sicher vorherzusagen, aber das Weltklima läßt sich für Jahrzehnte exakt vorhersehen? Das ist keine Wissenschaft, das ist pure Geisterbeschwörung! Noch vor 30 Jahren befürchteten Wissenschaftler eine neue Eiszeit, und jetzt wird die drohende Erwärmung immer dramatischer ausgemalt!

    Ein Blick auf das Klima der letzten 10.000 Jahre zeigt doch vor allem eine Tatsache: das Klima wandelt sich ständig und manchmal mit atemraubender Geschwindigkeit! Die letzte Eiszeit endete innerhalb von wenigen 100 Jahren, die Temperatur stieg stark an und der Meeresspiegel erhöhte sich um mindestens 100 m! Kein Fußweg mehr nach England, auch die Landbrücke zwischen Sibirien und Alaska war unterbrochen, oh Schreck! Warum? Hatten unsere Vorfahren mit der Nutzung des Feuers einen entsetzlichen Treibhauseffekt ausgelöst, weil sie zuviel Fleisch am Spieß gebraten haben, anstatt es klimafreundlich roh zu essen?

    Im Hochmittelalter, vor 1000 Jahren, gab es ein ausgeprägtes Klimaoptimum- es war wärmer als heute, der Seeweg nach Grönland und weiter nach Neufundland war eisfrei und für die wackeren Wikinger gut zu bewältigen. Und was bedeutet „Grönland“? Richtig, „grünes Land“, so grün, daß über Jahrhunderte Landwirtschaft betrieben werden konnte! Woher kam denn dieser Klimawandel?

    Wie dem auch sei: warme Zeiten waren immer gute Zeiten! Also keine Panik wegen einer eventuellen globalen Erwärmung! Und niemand lasse sich von den Klimahysterikern sein Auto oder eine Flugreise vermiesen!

     

    PS. „Und der Bericht erinnert daran, daß das hauptsächliche Klimagas Kohlendioxid fast ewig in der Atmosphäre verbleibt“. Das ist vollkommender Unsinn! Der CO2-Vorrat in der Atmosphäre beträgt 2600 Milliarden Tonnen. Ca. 130 Milliarden Tonnen davon werden jedes Jahr durch die Photosynthese der Pflanzen in organische Substanz fixiert; d.h. wenn nicht kontinuierlich CO2 freigesetzt wird, wäre der CO2-Vorrat der Atmosphäre innerhalb von 20 Jahren verbraucht! „Fast ewig“ stelle ich mir ein bißchen anders vor!

  • M
    MaBu

    Während die einen noch mit Atomkraft und CCS Wahlkampf machen wollen, gehen unseren Kindern und Enkel demnächst die Lebensgrundlagen verloren. Es wird Zeit, sich vom "weiter so" zu verabschieden und an ewiges Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Konsum und Wohlstand für alle zu glauben. Der Traum ist aus - es ist Zeit zu handeln!

  • B
    buckelwal

    @ wham: deine verschwörungstheorien überzeugen mich überhaupt nicht. dass versicherungen nicht an verlusten interessiert sind, ist nichts neues, es ist aber ein trugschluss daraus zu folgern, dass alles was sie sagen und tun, gelogen sei, nur zwecks profit interesse. auch wenn sie es nur aus eigennutz tun sollten, ist es zugleich für andere ggf. ein vorteil, wenn sie es tun (in solarkraftwerke zu investieren). - analogie: ohne investition in paracetamol hätte so mancher seine grippe vielleicht nicht so gut übelebt - die versicherungen haben erfahrungswerte! die schäden wegen sturm etc. steigen sogar in europa schon jetzt merklich - von der karibik oder anderen regionen der welt ganz zu schweigen. ... und z. b. oxfam - eine org. die sicher kein profitinteressen hat, weist in einer studie vor einigen monaten ebenfalls darauf hin, dass zig millionen menschen weltweit allein wg klimawandel zu flüchtlingen würden, sogar wenn wir was tun, umso mehr, wenn wir so wenig tun wie bisher. allerdings hat wohl navajo joe (unten) nicht ganz unrecht.

  • W
    Wham

    So langsam werden die dauernden Katastrophenszenarien mit immer ausgefalleren bereits integrierten Ausreden, warum die Modelle doch nicht eintreten, aber langweilig. Mittlerweile existieren zahlreiche Veröffentlichungen, die an der CO2 Genese erhebliche Zweifel aufkommen lassen. Die japanische Regierung hat beim Bonner Kongress ihre CO2 Emissionsziele nach Empfehlung der eigenen Fachgesellschaft deutlich reduziert. Herr Schellhubers persönliche Interessen über das PIK und u.a. die Münchener Rück sollte man im Hinterkopf haben. Lobbyismus ist kein exklusives Laster der Atom-und Ölindustrie

  • V
    veganer

    das wäre auch ein schritt. den könnte sogar jeder machen ;)

     

    http://fleischverbot.info/

     

     

    keine propaganda, sondern infos.

     

    "Die Fleischindustrie und die Tierhaltung machen 18 % der gesamten Treibhausgasemissionen aus" -nachdenken, bevor das schnitzel verschlungen wird-

  • NJ
    navajo joe

    Es gibt einfach immer noch zu viele - nicht nur diverse Wirtschafts'bosse', Großaktionäre/innen, Politiker, auch Wähler/innen - die ungefähr denken: Ist mir doch egal, wenn Botswana zur Wüste wird und halb Bangladesch untergeht, und die Karibik noch öfter von Hurricanes verwüstet wird u.s.w. im Gegenteil", so denken diese vielen, "das verringert die Übervölkerung und außerdem kann man dann noch im Oktober ins Freibad. Ist doch wunderbar" sagen diese Leute und meinen es nicht ironisch. O ja, es gibt aber Ausnahmen, v. a. wenn sie viel Geld damit verdienen können, z. B. wenn AKW mit dem Argument "Klimawandel" länger laufen dürfen u.s.w.