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Lesum klar für Schlepperverbände

■ Riesenpfähle aus Stahl für Wassersportler verwandeln Flüßchen in Hafenlandschaft / Naturschützer wußten von nichts

Dröhnend saust die Ramme auf den gelben Kopf. Zentimeter für Zentimeter versinkt der stählerne Pfahl im schlammigen Grund der Lesum. Arbeiter der Baufirma Dehning legen letzte Hand an, um ein Werk des Wasserbaus zu vollenden, das wohlmeinende Zeitgenossen als Behördenposse, Umweltschützer aber als dreiste Verschandelung der Landschaft bezeichnen.

30 Dalben, 18 Meter lang, 60 Zentimeter dick, mit ihren gelben Köpfen hochwassersicher auf Höhe der Deichkrone, geben der Landschaft ums romantische Flüßchen eine eigene Note von Hafenanlage. Anwohner und Naturschützer sind erbost.

Beantragt haben die Pfähle mehrere Wassersportclubs am Südufer der Lesum. Den Athleten war es zu mühsam geworden, alljährlich ihre schwimmenden Anleger mit Ketten im Grund zu verankern. Also war in Bootshäusern der Plan gediehen, Pfähle einzurammen, um dort ihre schwimmenden Plattformen festzumachen. Da traf es sich gut, daß ein Segelbruder bei besagter Rammfirma sein Brot verdiente. Und daß ein Vereinsvorsitzender als leitender Angestellter bei der Bremer Lagerhaus Gesellschaft die Behörden gut kennen mußte, war sicher nicht von Schaden.

Die für die Lesum zuständige Bundesbehörde, das Wasser- und Schiffahrtsamt, hatte denn auch keine Einwände. Denn die Sicherheit des Schiffsverkehrs zwischen Burger Brücke und Sperrwerk wird durch die mächtigen Pfähle ohne Zweifel erhöht. Die Pfähle entsprechen der Seeschiffahrtsstraßenordnung. Als solche ist die Lesum in einer Kategorie mit Unterweser und Elbe registriert. Es sei rechtlich zulässig, daß bis zu 80 Meter lange Schlepperverbände „ohne zu fragen“ die Lesum heraufführen, so der leitende Beamte Klaus Frerichs. Daß auf der Lesum allenfalls ein Ausflugsdampfer tuckert, zählt nicht.

Pflichtschuldig informierte die Bundesbehörde die Landeswasserbehörde, die ebenfalls nichts an den Pfählen auszusetzen hatte. Die Kunde von den Rammarbeiten im Landschaftsschutzgebietblieb aber offenbar auf den Fluren von Umweltsenatorin Tine Wischers (SPD) Mega-Ressort stecken. Denn die ebenfalls im Hause Wischer angesiedelte Naturschutzbehörde will davon nie etwas gehört haben.

In dem Genehmigungsbescheid für die Wassersportler wies das Wasser- und Schifffahrtsamt jedoch darauf hin, daß die eigene Genehmigung nicht sonstige Befugnisse und Erlaubnisse ersetze. Welche genau ließ das Amt offen, das müsse der Bürger selber wissen. Die Rammfirma, die nach Auskunft ihres Geschäftsführers „ja auch nicht das erste Mal Dalben eingerammt“ hat, hielt sich ebenfalls aus dem Genehmigungsverfahren heraus. Das sei Sache der Vereine gewesen.

Unter den Schiffern an der Lesum war die Pfählung umstritten. Denn die Dalben kosten viel Geld, allerdings sinkt der Einzelpreis, je mehr Vereine mitmachen. 74.000 Mark hätte sein Wassersportverein Munte II für fünf Pfähle berappt, erzählt ein Bootsbesitzer. Sein Jahresbeitrag sei um 320 Mark erhöht worden. Bootshausbesitzer Dietrich Murken hat die Pfahl-Werbung der Firma Dehning und der Nachbarn jedoch in den Wind geschlagen und setzt auf die traditionelle Verankerung.

Unklar bleibt, warum weder Wassersportlern noch Wasserämtern die Idee kam, daß es sich mit den Pfählen um einen Eingriff ins Landschaftsbild handeln könnte. Denn in diesem Fall, so sagt der des Öko-Fanatismus sicherlich unverdächtige Anwalt Claus Jäger (Ex-FDP-Innensenator), hätten die Naturschützer konsultiert werden müssen. Jäger hatte im Auftrag einiger Anwohner nobler Wassergrundstücke am Nordufer versucht, per einstweiliger Verfügung einen Baustopp zu erzwingen. Doch als er eingeschaltet wurde, war die Ramme schon flußabwärts gewandert. Nun erwägen Umweltschutzverbände eine Klage, die man „sicher gewinnen“ werde, so Sönke Hofmann vom Naturschutzbund NABU.

Die Opposition von Grünen und AfB will jetzt über die Bürgerschaft erreichen, daß ein ordnungsgemäßes Planfeststellungsverfahren eingeleitet wird. Im Zweifel müßten die Pfähle wieder verschwinden. jof

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