LeserInnen zum Interview mit dem Europa-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit: Man möchte schmunzeln
betr.: „Die Grünen merken nichts“, „Mit einer neuen EU gegen die USA“, taz vom 15. 8. 01
Daniel Cohn-Bendit hat Recht, doch die machtversessenen Grünen merken nicht, auf welcher Abwärtsspirale sie sich durch ihre überaus agile neoliberale Truppe (ich denke, jeder weiß, welche Abgeordneten ich hier meine) befinden. Solange Joschka Fischer hier nicht klar Farbe bekennt, wird sich nichts ändern. Trittin, Müller und Fücks sind nur schmückendes Beiwerk. Wenn es den Grünen nicht gelingt, ihr Herz auf dem rechten Fleck (links) zu tragen, dann gerät die Partei gewaltig in die Krise. Fünf Prozent der Stimmen als zweite FDP erreichen zu wollen, halte ich für ein aussichtsloses Projekt. MICHAEL HEINEN-ANDERS, Troisdorf
Nicht nur mit seinen Vorwürfen an die deutschen Grünen, sondern auch mit seiner Kritik an Teilen der Globalisierungskritiker trifft Cohn-Bendit genau ins Schwarze: Nicht ein Rückfall in Nationalstaaterei und Protektionismus, sondern die Entwicklung einer transnationalen Demokratie ist die richtige Antwort auf die Globalisierung! Die Grünen sollten die Globalisierungskritiker dabei nicht als Störenfriede, sondern als Unterstützung begreifen, um mit ihrer pragmatischen Politik der kleinen Schritte schneller voranzukommen.
Dabei könnten sie von Frankreichs Grünen einiges lernen: Obwohl sie objektiv betrachtet weitaus weniger Erfolge in der Regierung vorzuweisen haben als die deutschen Grünen, gewannen Frankreichs Grüne seit Regierungseintritt bei jeder Wahl Stimmen dazu. Es reicht allerdings nicht, lediglich die Forderung nach der Tobin-Steuer als „Schmuck“ erneut ins grüne Wahlprogramm aufzunehmen, wie Claudia Roth jüngst in der taz meinte. Denn solange sich die EU nicht einmal auf eine vernünftige Zinsbesteuerung einigen kann, bleibt diese Forderung pure Sciencefiction. Wichtiger wären Taten. Schon im Herbst könnten die Grünen z. B. bei den Haushaltsberatungen über den Entwicklungshilfeetat ein konkretes Zeichen setzen. Und zwar über die zusätzlichen Millionen hinaus, die Struck und Schlauch der Entwicklungshilfeministerin bereits versprochen haben! YVES VENEDEY, Konstanz
Man möchte schmunzeln, wenn es nicht so traurig wäre. Mitten hinein ins politische und publizistische Sommerloch meldet sich Ex-Barrikaden-Dani („Ich rede immer nach zwei Seiten“) zu Wort, um GlobalisierungskritikerInnen und Grüne aber so richtig gegen den Strich zu bürsten. [...]
Im Ernst drängt sich die Frage auf, auf welchem Stern der Galaxis Strasbourg liegt. Denn spätestens seit die Grünen vor bald drei Jahren auf den Regierungsbänken der Republik Platz genommen haben, geriert sich das ehemalige Standbein der Neuen Sozialen Bewegungen als Öko-FDP, genügt sich als Mehrheitsbeschaffer für mittig-windschnittige Politik und macht im Übrigen vor global relevanten Themen den Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Was Wunder, dass die Grünen für GlobalisierungskritikerInnen nicht mehr naturwüchsiger Adressat für universelle, ökonomiekritische Anliegen und Forderungen sind.
Während die Protestbewegung mit Blick auf ihre kommunikative Vernetzung (Indymedia) bereits in Ansätzen global organisiert ist, dümpelt die Grüne Partei immer noch in den Niederungen eigener, verklärter wie verdrängter Protesterfahrung und parlamentarischer Sachzwangslogik herum. [...]
Für den fehlenden Zugang zur Globalisierung in Deutschland und das „gestörte Verhältnis“ der Grünen zum neuen Protestmilieu schließlich die linke Medienöffentlichkeit mitverantwortlich zu machen, mag man als Selbstauskunft kopfschüttelnd hinnehmen. Allerdings ist der Vorwurf an Le Monde diplomatique, sie propagiere „als eine Lösung gegenüber der Globalisierung den Weg zurück zum Nationalstaat“ ebenso lächerlich wie der stammtischtaugliche Versuch, hinter dem „neoliberalen Projekt“ eine angloamerikanische Verschwörung zu vermuten, der es mit europäischer „Gegenmacht“ entgegenzutreten gelte.
Wie gesagt: man möchte schmunzeln, wenn es nicht so traurig wäre. FRANK KRÄMER, Münster/Westf.
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