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Lesbos lag an der Seine

■ Neu im Kino: „Paris was a Woman“von Greta Schiller

Das verlorene Paradies der Moderne ist das Paris der 20er und 30er Jahre: Die inzwischen mystisch verklärte Ära, in der Picasso noch ein Geheimtip war, die Buchhändlerin Sylvia Bach zur Geburtshelferin von James Joyces „Ulysses“wurde, Hemingway nicht viel mehr vorzuweisen hatte als seine Kriegsnarben und Gertrude Stein feststellte, daß eine Rose eine Rose sei. Besonders viele begabte Frauen aus den USA und ganz Europa, die sich nach einem freieren, sinnlicheren Leben sehnten, zog es an die Rive Gauche – wohl dem einzigen Ort zu dieser Zeit, wo auch lesbische Frauen offen nach ihrer Fasson leben konnten. Ein ideales Thema für eine lesbische Dokumentarfilmerin, die sich darauf spezialisiert hat, einen ihren sexuellen Präferenzen gemäßen Blick auf die Kulturgeschichte zu werfen. So drehte Greta Schiller Filme über die Geschichte amerikanischer Jazzmusikerinnen, das lesbische Element im englischen Kino, die homosexuelle „community“im New York der 50er und 60er Jahre oder jetzt – in Zusammenarbeit mit Andrea Weiss – „Paris was a Woman“.

Die Stärke von Greta Schiller liegt eindeutig in der Recherche, und so hat sie zu jedem Aspekt ihres Films die genau passenden Fotografien, Wochenschauen, Plakate und O-Töne gefunden. Ein wenig leidet „Paris Was A Woman“allerdings am Sendungsbewußtsein der Regisseurin. Da wird haarklein erklärt, welche Frauen sich auf welcher Party getroffen haben, wer im Haushalt von Gertrude Stein und Alice B. Toklas die Kekse gebacken hat, und wie fies es von James Joyce gewesen ist, nach seiner Entdeckung zu einem großen Verlag zu wechseln und seine Gönnerin Sylvia Bach auf ihrem Schuldenberg sitzenzulassen. Oft allzu akademisch und pedantisch wird von den Schriftstellerinnen Colette und Djuna Barnes, den Malerinnen Romaine Brooks und Marie Laurencin, der Fotografin Giselle Freund, der Journalistin Janet Flanner, der Buchhändlerin Adrienne Monnier sowie der Amazone Natalie Barney erzählt.

Zwei amerikanische Dozentinnen blicken sehr ernst in die Kamera, wenn sie die künstlerischen Leistungen der Frauen aufzählen und analysieren. Aber zum Glück läßt Greta Schiller auch ihre Heldinnen selbst zu Wort kommen – in Archivaufnahmen, Tondokumenten und Interviews mit den noch lebenden Zeitzeuginnen wie Gisele Freund, und dabei bekommt man dann doch einen unmittelbaren Eindruck vom Lebensgefühl dieser KünstlerInnengemeinde.

Der Kontrast zwischen den dozierenden Intellektuellen und den ganz natürlich erzählenden, netten alten Damen weist auf die große Diskrepanz zwischen Greta Schiller und ihren Heldinnen hin. Dafür, daß hier immerhin einige der Avantgardistinnen der Moderne gefeiert werden, ist der Film selbst reichlich konventionell. Wenn die Gespräche in den literarischen Salons, Bars und Cafes wirklich so aufregend und voller Esprit waren, wie in „Paris Was A Woman“behauptet wird, dann hätte die fleißige, aber eben auch recht humorlose Greta Schiller dort bestimmt keine Furore gemacht. Wilfried Hippen

Kino 46, heute, 18. April, und morgen um 20.30 Uhr, So. bis Di. 18.30 Uhr / Englische Originalfassung ohne Untertitel

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