: „Lernresistent“ gegen Anpassung
betr.: „Der unermüdliche Streiter“, Portrait, taz vom 24. 8. 00
Ich wüsste gerne, was Klaus-Peter Klingelschmitt bewogen hat, das Porträt des „unermüdlichen Streiters“ für Antifaschismus, Peter Gingold, mit diffamierenden Attacken anzureichern. Ich kenne Peter Gingold aus jahrelanger Zusammenarbeit. Wir – er Kommunist, ich Sozialdemokrat – streiten uns gelegentlich und haben unterschiedliche Ansichten, aber wir finden immer eine gemeinsame Basis, wenn es gegen rechts geht.
Peter Gingold ein Stalinist und „lernresistent“? Diese Behauptung ist absurd. Gingold ist (und bleibt) Kommunist – aber einer von der toleranten und liebenswürdigen Sorte. Das war er schon, als der Realsozialismus noch in voller Blüte stand. Klingelschmitt benutzt berechtigte Vorwürfe an die vergangene kommunistische Politik, um Gingold vorzuwerfen, er „verschließe“ sich „dieser Wahrheit“. Hat er jemals mit ihm darüber debattiert? Sicher nicht, denn sonst käme er nicht zu diesen Anwürfen. Was also soll das Ganze – ausgerechnet gegenüber einem Mann, der sich sehr wirksam und überzeugend gegen Neofaschismus und Rassismus engagiert?! Ausgerechnet in einer Zeit, in der wir jeden Streiter für Antifaschismus brauchen. PETER WALTHER, Rüsselsheim
Niemand, der mit Peter Gingold zusammenarbeitet, niemand, der ihn kennt, wird von der Enthüllung, dass es sich bei ihm um einen Kommunisten handelt, überrascht sein. Gerade deshalb muss der Stalinismus-Vorwurf her: „Gingold singt heute noch gern das hohe Lied von den Spanienkämpfern. Denn er war dabei, als es nach dem Putsch der Faschisten unter General Franco 1936 galt, die Republik zu retten. Nicht so gern spricht er davon, dass seine strammen Kommunisten Mitglieder der anarchistischen Brigaden in Barcelona und anderswo an die Wand stellten.“ Gingold war jedoch zu dieser Zeit in Paris und arbeitete bei der angesehenen Exil-Zeitung Pariser Tageblatt; er wollte durchaus nach Spanien, aber die Partei fand seine Tätigkeit dort wichtiger.
Fast eine Nebensache ist es dann, dass Gingold weder ein kritischer noch sonst ein Aktionär von IG Farben i. A. ist, dass die Proteste gegen IG Farben i. A. nicht seit 40 Jahren, sondern seit 12 Jahren regelmäßig stattfinden, dass sie von Hans Frankenthal, einem (nicht kommunistischen) ehemaligen Auschwitz-Häftling, der Ende des vergangenen Jahres verstarb, und Gingold im Rahmen des Auschwitz-Komitees in der BRD begonnen wurden. „Lernresistent“ ist Gingold in der Tat: wenn es um das Arrangement mit den Verhältnissen in diesem Land geht. TJARK KUNSTREICH, Berlin
Dass unser geschätzter Freund und Mentor Peter Gingold die faschistoid geprägten Hauptversammlungen der IG Farben schon seit Jahren nicht mehr als Kritischer Aktionär betritt, hat Klaus-Peter Klingelschmitt ebenso geflissentlich übersehen wie viele andere Tatsachen. Während alle deutschen und viele ausländische Zeitungen ausführlich über die IG Farben HV berichten, begnügt sich die taz mit einer knappen Agenturmeldung und druckt stattdessen ein Portrait, das nicht informieren, sondern Stimmung gegen aufrechte Linke schüren will. HENRY MATHEWS,Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
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