: Lernen im Aquarium
■ Löst saurer Regen Asbest aus Decke?
Seit Monaten herrschen an der Witzleben-Grundschule in der Vahr Bedingungen wie im Aquarium. Das 30 Jahre alte Dach der Schule ist marode, an vielen Stellen regnet es durch, Pfützen stehen in allen Klassenzimmern, neu angeschaffte Bücher im Wert von mehreren tausend Mark fielen dem Wasser. „Wir werden hingehalten“, erklärt Elternsprecherin Inge Ittermann, „seit einem dreiviertel Jahr regnet es hier rein und selbst wenn es Geld gäbe, sagt man uns, daß keine Baufirma bei der Kälte arbeiten würde.“ Einige Besichtigungen habe es wohl gegeben, geschehen sei jedoch nichts. Die engagierten Eltern in einem offenen Brief an Bildungssenator Henning Scherf: „Wir fordern eine sofortige, grundlegende Erneuerung des Daches und daß alle, vom Bürgermeister bis zu den zuständigen Behörden ihre Verantwortlichkeit wahrnehmen, anstatt sie wie bisher auf andere abzuschieben.“ Eine zusätzliche Angst: Im Dachzement gebundener Asbest könnte mit dem Wasser in die Klassenräume gelangen und dort die Kinder gefährden.
Solche Angst hat der Bildungssenator nicht. Im von der Bremer Arbeitsgruppe Toxikologie erarbeiteten Asbestkataster für öffentliche Gebäude wird für die Schule in der Vahr von der niedrigsten Dringlichkeitsstufe ausgegangen.
Ganz anders sieht das Rolf Dieter Hund. Der ist Diplom Chemiker und Schulelternsprecher: „Mit dieser Einstufung kann man ja erstmal alles auf die lange Bank schieben.“ Der Asbest sei zwar im Zement gebunden. Für einen Außenbereich ginge man daher von einer geringen Umweltbelastung aus. Doch „eins ist sicher: Asbestzement verwittert und irgendwann regnet es rein. Es wäre doch möglich, daß Asbestfäden in die Räume gelangen. Dieser Fall ist im Gesetz nicht vorgesehen“, erklärt der Chemiker.
Nach Angaben von Inge Ittermann habe der Bildungssenator zunächst bestritten, daß überhaupt Asbest vorhanden sei, später dies jedoch bestätigt. „Uns erzählt man, daß keine Gefahr besteht, weil Asbest nicht mit dem Wasser aus dem Zement gelöst werden könne. Verschiedene Chemiker bestätigten uns jedoch, daß dies durch den Säuregehalt des Regenwassers sehr wohl geschehen kann.“
Bereits am 8. Oktober hatte das Hochbauamt eine Kostenberechnung über 541.000 Mark an den Bildungssenator geschickt. Der Sprecher der Bau-Senatorin, Rainer Imholze: „Es ist jetzt Angelegenheit des Bildungssenators, diese Mittel bereitzustellen.“ Dort wird die Geschichte zwar als vorrangig eingestuft, Geld ist jedoch nicht vorhanden. Am 12. November ging der Fall Witzlebenschule in die Deputation, doch „541.000 DM sind keine Kleinigkeit“, erklärt Pressesprecher Ruberg, die Finanzierung sei keineswegs gesichert. Ruberg: „Nach den Haushaltsberatungen gegen Ende des Jahres sind wir weiter“.A ndre Hesel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen