Debatte: Lenken und Leiten
■ Was die grüne Partei machen sollte
Mensch, Lothar, soviel Rückenwind von Dir für meine Kanditatur ist wirklich mehr als ich erwarten durfte! Danke! Und dann so trickreich am Anfang mein Naturell („überall ein Eisen im Feuer zu haben, ohne sich zu verbrennen“) so treffend falsch zu beschreiben, daß jeder merken mußte, daß Deine Tirade eigentlich ein verklausulierter Unterstützerbrief sein sollte.
Doch Spaß beiseite, wo immer ich in den vergangenen Tagen die Zeitung aufgeschlagen habe, gab es vernichtende Kritiken für die Ampel – nicht nur für die anderen beiden, für alle drei Partner! Insbesondere, weil ich wie viele andere der Ansicht bin, die Grünen haben sich in dieser Koalition zu billig verkauft, habe ich lange überlegt und mit Freunden diskutiert, mit einer neuen Gruppierung zur Bürgerschaftswahl anzutreten. Im Gegensatz zu Dir, Lothar, bin ich überzeugt, daß die „Gurkentruppe“ (welch überhebliche Abqualifizierung einer Gruppe, die Du nicht mal zu einem Sechstel kennst) nicht an den 18.000 „Blumentöpfen“ (5% Hürde) gescheitert wäre, aber es wäre möglicherweise ein Pyrrhussieg gewesen, wenn man damit der Großen Koalition das Lager bereitet hätte. Was blieb, war mein Gefühl, daß Politik sich eingekapselt hat, daß die breite politische Lethargie überwunden werden und daher eine ebenso breite gesellschaftliche Diskussion angeschoben werden sollte.
Das soll das Bürgerforum sein, und ich würde es begrüßen, wenn die Parteien sich beteiligen würden – nicht als Wahlkampfveranstaltung, sondern nachdenklich und selbstkritisch. Denn daß hier alles zum Besten steht, wird ja wohl keiner behaupten wollen. Ab einem bestimmten Punkt hilft auch der ewige Popanz „Sachzwang“ oder andere Zwänge nicht weiter, da wird von Politik zu Recht erwartet, daß sie Handlungsfähigkeit beweist und neue Lösungswege beschreitet, um festgefahrene, scheinbar ausweglose Situationen zu bewältigen.
Wahrscheinlich ist das schon wieder populistisch, aber scheinbar sind für manche Leute alle einfachen Wahrheiten Populismen per se. Bisher dachte ich immer, mit Forderungen nach „mehr Demokratie nach unten“ und vernünftiger Reduzierung von Herrschaftsapparaten mit beiden Beinen auf dem Boden des grünen Parteiprogrammes zu stehen. Nachdem Peter Rüdel mir dazu „blödesten populistischen Unsinn“, Helga Trüpel mir Schlichtheit, Du mir den „ideellen Bremer Gesamtpopulisten“ attestiert habt, bin ich mehr denn je gewillt, die grüne Partei selbst votieren zu lassen.
Ich habe die Hoffnung nämlich noch nicht aufgegeben, daß es neben der Macht der Fraktion, der Macht der Senatsmitglieder eine starke Partei geben sollte, die ihre Aufgabe lustvoll wahrnimmt, inhaltliche Richtung vorzugeben und eigene Politikfähigkeit beweist. Vielleicht darf ich ja nochmal daran erinnern, daß die Koalition ausschließlich von den Parteien geschlossen worden ist! So hoffe ich auf eine Partei, die ihre Mandatsträger in Fraktion und Senat stützt und trägt, aber auch lenkt und leitet im Sinne eines gesunden Gegengewichtes.
Hucky Heck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen