Leitlinien für Eizell-Tourismus: Eine Eizelle aus Finnland
Paare lassen sich hierzulande zunehmend über eine Eizellspende im Ausland beraten. Das ist heikel. Aber der Bedarf ist da, wenn Frauen unfruchtbar sind.
BERLIN taz | Das Paar wünschte sich sehnlichst Kinder, aber die Frau war unfruchtbar. Eine Eizellspende aus dem Ausland schließlich verhalf der Frau zur Schwangerschaft, das Kind ist heute im Babyalter. "Eine Eizellspende ist heute nicht mehr ungewöhnlich", sagt Petra Thorn, "über dieses Thema muss dringend offener diskutiert werden".
Thorn, Sozialtherapeutin mit eigener Praxis im hessischen Mörfelden ist Vorsitzende des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BKiD). Während vor fünf Jahren noch niemand in ihrer Praxis nach Informationen über eine Eizellspende fragte, kämen heute manchmal in einer Woche drei Paare mit diesem Anliegen, erzählt Thorn.
Auf einer Tagung der International Infertility Counseling Organisation an diesem Sonnabend in München stellt Thorn heute erstmals Leitlinien des BKiD zum "reproduktiven Reisen" vor.
Diese Leitlinien sollen Psychologen, Sozialarbeiter oder Mediziner unterstützen, die Paare beraten, deren unerfüllter Kinderwunsch nur durch einen Eingriff im Ausland erfüllbar ist. In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz Eizellspenden und Leihmutterschaft. Paare, die auf diese Weise Nachwuchs haben wollen, müssen daher nach Spanien, Finnland oder Tschechien reisen.
Psychologen oder Reproduktionsmediziner, die Paare informieren, dürfen sie aber weder dazu ermutigen, sich um eine Eizellspende zu bemühen noch ihnen konkrete Kliniken im Ausland nennen. Die Fachkräfte dürfen aber auf Patientenorganisationen in diesen Ländern verweisen, sagt Thorn. Im Internet preisen sich viele Kliniken an, wenn man den Begriff "Eizellspende" in die Suchmaschine eingibt.
Bei der Eizellspende etwa in spanischen Kliniken reisen die Wunscheltern zweimal an. Beim zweiten Termin wird die Eizelle der Spenderin mit dem Samen des Mannes befruchtet und der Empfängerin eingepflanzt.
Die Schwangerschaftsrate liege zwischen 35 bis 40 Prozent, erklärt Thorn. Rund 10 000 Euro koste eine solche Behandlung. Gebärt die Frau das Kind, ist die Mutterschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch geklärt: Die austragende Mutter gilt rechtlich als Mutter, auch wenn die Eizelle von einer Spanierin oder einer Tschechin stammt.
Die Vaterschaft erhält der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder der die Vaterschaft anerkannt hat. In Deutschland gehen Paare, die sich im Ausland haben behandeln lassen, straffrei aus, auch wenn die Behörden von der Herkunft des Kindes Kenntnis erhalten.
Eine Eizellspende bringt aber nicht nur medizinische Risiken, sondern auch viele psychosozialen Probleme mit sich. Die Anonymität der Spendermutter kann für die Kinder später ein großes Problem werden, sagt Thorn.
In Ländern, in denen es den Kindern nicht möglich ist, die Identität der Spenderin oder zumindest Informationen über sie zu bekommen, "kann eine Behandlung mit Gametenspende nicht empfohlen werden", heißt es in den Leitlinien des BKiD. In Spanien etwa bleibt die Spenderin anonym. In den Niederlanden, in Großbritannien und Finnland hingegen ist die biologische Mutter später für das Kind identifizierbar. Hier gibt es teilweise lange Wartelisten für Wunscheltern.
Den ethischen Aspekten müsse in einer psychosozialen Beratung "genügend Raum" gegeben werden, fordern die Leitlinien. "Wir bräuchten eine offene Diskussion über die Kommerzialisierung von Eizellspenden", sagt Thorn. Sie weiß von Geschichten aus der Ukraine, wo junge Frauen in Geldnot in ein Nachbarland eingeflogen werden.
Dort entnimmt man ihnen nach hormoneller Stimulation Eizellen, dann werden sie wieder nachhause geschickt. Die Frauen bekommen keine gute medizinische und keine psychosoziale Betreuung. Thorn fände es daher besser, Spenderinnen würden so wie in Australien, nur eine "eng begrenzte" finanzielle Kompensation erhalten, aber "keine regelrechte Bezahlung".
Die eigene Wertehaltung des Paares ist auch wichtig. Falls das Paar die Eizellspende vom Eigenverständnis her nicht als einen Akt von reproduktiver Autonomie oder von "zivilem Ungehorsam" verstehe sondern ihn als illegale Handlung betrachte, solle "exploriert werden, ob eine Behandlung im Ausland tatsächlich der richtige Schritt ist und die damit geplante Familienbildung langfristig erfolgreich in das Eigenverständnis des Paares integriert werden kann", warnen die Leitlinien.
Die Reproduktionsforschung weiß, dass es für die Kinder von Samenzellspendern wichtig ist, früh und behutsam über ihre Herkunft aufgeklärt zu werden, sagt Thorn. Dies gilt auch für den Nachwuchs aus einer Eizellspende.
Auch die von Thorn beratenen Eltern des Babies aus einer Eizellspende wollen das Kleine aufklären, nach und nach. Etwa indem man dem Kind erzählt, die Mutter hätte bei der Schwangerschaft Hilfe bekommen, weil ihre Eier nicht gesund waren. Und deshalb habe eine andere Frau ihr etwas von ihren Eiern abgegeben.
In den Leitlinien werden weiterführende Links zu den Rechtslagen im Ausland genannt, darunter http://www.eshre.com/page.aspx/16 und www.biopolicywiki.org
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