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Leinen los nach Vegesack

■ „Schulschiff Deutschland“ liegt nur noch bis heute mittag in Woltmershausen

Heute ist die letzte Gelegenheit, den imposanten Segler „Schulschiff Deutschland“ am Woltmershauser Ufer zu bewundern. Um 14 Uhr heißt es „Leinen los“. Das Schiff wird zur Generalüberholung (4,5 Mio. Mark) zur Vulkan-Werft nach Vegesack gezogen.

Und in Vegesack bleibt es dann auch: Ab Herbst soll das Schiff am Lürssen-Kai an der Lesum-Mündung festmachen. So haben es gestern endgültig die Wirtschaftsförderungsausschüsse beschlossen: Sie bewilligten 1,1 Millionen Mark für den Bau eines Liegeplatzes auf dem Lürssengelände. Drei SPDler enthielten sich der Stimme.

Der Beirat Woltmershausen kann es nicht fassen. In den letzten Tagen hatte er nochmal gepowert und Pressemitteilungen in die Welt gefaxt: Wer nimmt uns unser Schiff weg? Das Schiff müsse in Citynähe bleiben – zwecks Attraktivitätssteigerung der Innenstadt. Wirtschaftssenator Claus Jäger schüttelt über diesen Protest nur den Kopf: Das sei doch alles nur Wahlkampf und Woltmershausen eine SPD-Hochburg, die wohl um Stimmen fürchte. „Eigentlich war das politisch längst durch, die Verlegung nach Vegesack.“

Politisch durch war die Verlegung bereits, als jüngst die Wirtschaftsförderungsausschüsse den Wunsch der SPD nach 180.000 Mark für die Suche nach alternativen Standorten (zum Beispiel an der Schlachte), abgeschmettert hatten. Zwar hatten sich die drei Regierungsparteien im Koalitionsausschuß auf diese Prüfung von Alternativen geeinigt. Doch als die Wirtschaftsförderungsausschüsse tagten, bestand die Koalition nicht mehr. Also stimmten die FDP und die Grünen zusammen mit der CDU gegen die Prüfung alternativer Standorte. Gestern dann also das endgültige Aus für einen Liegeplatz an der Schlachte.

Claus Jäger, wohnhaft in Bremen Nord, werden oft heimatpolitische Gründe unterstellt, doch er zeigt sich durch schlichte Sachargumente überzeugt: Würde das Schiff an die Schlachte verlegt, wäre nicht mehr bei jedem Wasserstand ein Schiffsgegenverkehr auf der Weser möglich. Außerdem: Die Weser hat einen Tiefgang von 3 Metern, das Schulschiff einen von 5.40 Metern. Teures und dauerndes Baggern wäre notwendig. Extrem teuer würde außerdem die Überholung des Schiffes alle vier Jahre: Jedesmal müßten die Masten abgenommen werden, damit das Schiff überhaupt unter den diversen Brücken hindurch zum Vulkan fahren könnte. Nicht zuletzt: Am ältesten Hafen Bremens, der Schlachte, lagen einst Schiffe wie die Hanse-Kogge, keineswegs aber so neumodische Segler wie das Schulschiff, das 1927 in Bremerhaven gebaut wurde. Hingegen ankerten solche Segler in Vegesack. „Und Vegesack ist schließlich auch ein Teil Bremens, auch wenn das die Bremer oft vergessen, und zwar vielleicht sogar schon seit 1618, eventuell länger als Woltmershausen“, stichelt Jäger in Richtung linkes Weserufer.

Das letzte Wort über eine Verlegung hat aber sowieso der Besitzer das Schiffs: der Schulschiff-Verein. Der muß nämlich die laufenden Unterhaltskosten zahlen, das sind 80.000 Mark im Jahr. „Das muß das Schiff selbst verdienen“, sagt Horst Willner, Vorsitzender des Vereins. Im stillen Winkel hinter der Eisenbahnbrücke in Woltmershausen sei das nicht möglich, am Ausflugsort Vegesack hingegen schon. Dafür hat man sich schon ein Nutzungsprogramm ausgedacht: Weiterhin sollen die angehenden Matrosen auf dem Schiff wohnen und in den Werkstätten lernen, zusätzlich aber will man ein Museum einrichten und eine historische Taklerwerkstatt, dazu kommen „jede Menge Veranstaltungen“. „Dafür brauchen wir Besucherströme, die sind aber im stillen Winkel ausgeschlossen, selbst wenn man dort noch einige Blumen streuen würde.“

Und, mal ganz ehrlich, sagt Willner: Wer hat sich denn in Woltmershausen bislang für das Schulschiff interessiert? „Zur Offenen Tür kamen immer nur ganz wenige aus dem Stadtteil.“ cis

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