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Point 'n' ClickLeider wirklich gut

■ Germany: sechs Einträge/Cinemania 96 – ein Filmlexikon auf CD-Rom

Es fällt einem schwer, etwas Positives über Microsoft zu schreiben. Das amerikanische Software-Unternehmen hat mit gnadenlosen Methoden seine Benutzeroberfläche Windows als De-facto-Standard durchgeboxt. Zur Zeit versucht „Kleinweich“, wie das Unternehmen unter deutschen Hackern heißt, das Internet zu kolonialisieren. Und Bill Gates ist die erschütterndste Inkarnation des Big-Boss seit Donald Trump.

Aber so unbeliebt dieses Unternehmen zu Recht ist: „Cinemania 96“, das CD-Rom-Filmlexikon von Microsoft, ist leider wirklich gut. Auf einer Scheibe befinden sich Kurzbesprechungen von über 20.000 Filmen. Microsoft hat keine Mühen und Kosten gescheut und die Rechte zu gleich vier amerikanischen Standardfilmlexika gekauft: Die Bücher von Roger Ebert, Leonard Maltin, Ephraim Katz und Pauline Kael sind hier alle gespeichert. Auch wenn die Einträge manchmal nicht besonders tief gehen, hat „Cinemania“ enzyklopädischen Charakter. Hier kommen auch entlegene Filme und Regisseure zu ihrem Recht: Auch Chris Marker oder Stan Brakage haben lange Einträge. Selbst mit den Suchbegriffen „Germany“ und „Documentary“ findet man immerhin noch sechs Einträge.

Außer Filmbildern kann man zu einigen Filmen kurze Ausschnitte oder Dialogfetzen abrufen. Gerade bewegte Bilder sind immer noch schwierig zu digitalisieren, und darum sind die Filmclips auf dem Computermonitor nicht größer als eine Briefmarke. Trotzdem ist es gegenüber einem gedruckten Filmlexikon ein Vorteil, daß man hier Dorothy aus dem „Wizard of Oz“ sagen hören kann: „I think, we're not in Kansas anymore.“

Als ob das alles noch nicht genug wäre, veröffentlichen Microsoft im Internet auch noch monatlich Updates. Wer ein Modem hat, kann sich von der Microsoft- Homepage (http://www.microsoft.com) Akutalisierungen herunterladen, und das ist sogar umsonst. Das sind Geschäftspraktiken, die man von Microsoft eigentlich nicht kennt.

Ein besonderer Knaller ist natürlich die Suchfunktion, mit der man sich Filme zur jeweiligen Laune zusammenstellen kann: Wer ein Melodrama aussuchen will, kann zwischen „Tearjerker“, „Families in Crisis“ und „Love Lost and Found“ wählen und bekommt dann eine Liste mit einschlägigen Filmen zusammengestellt. Alle Einträge sind per Hypertext miteinander verbunden. Und eh man sich's versieht, hat man sich von „Imitation of Life“ von Douglas Sirk aus der Melodramenliste zu der Biographie von Hauptdarstellerin Lana Turner durchgeklickt, von da zu dem Film „The Postman always rings twice“, ebenfalls mit Lana Turner, dann zu „Obsessione“ und dann zu einem Aufsatz über Neorealismus, der gar nicht mal so dusselig ist. Mit Cinemania kann man so viel Zeit verbringen, daß man eigentlich gar keine Filme mehr ansehen muß – und daß alles, obwohl es von Microsoft ist. Daß Cinemania nur noch unter der neuen Windows-95-Oberfläche läuft, bestätigt freilich mal wieder alle Vorurteile, die man gegen das Unternehmen so hat. Tilman Baumgärtel

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