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Leichte Erholung am ArbeitsmarktWeniger als drei Millionen Arbeitslose

Der Aufschwung bringt wieder mehr Menschen in den Job. Indes kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die Kürzungen der Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose.

Anstehen im Jobcenter: Erlebt der Arbeitsmarkt tatsächlich einen Aufschwung? Bild: reuters

Die Konjunktur brummt, die Arbeitslosigkeit sinkt. Im Mai nahm die Zahl der Erwerbslosen um 118.000 ab und sank auf 2,96 Millionen. Im Vergleich zum Vorjahr waren damit 276.000 weniger Arbeitslose registriert. Die Arbeitslosenquote lag bei 7 Prozent.

Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), bezeichnete die neuen Zahlen als "Erfolg". Die BA wies jedoch auch darauf hin, dass tatsächlich im Mai knapp 4,2 Millionen Menschen ohne festen Job waren. Diese Zahl der Unterbeschäftigten umfasst auch solche Personen, die sich derzeit in Fördermaßnahmen befinden.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bezeichnete den deutschen Arbeitsmarkt als "kerngesund". Mit Blick auf die Langzeitarbeitslosen – deren Zahl lag im Mai bei knapp 890.000 – sagte sie: "Für die wirklich schwierigen Fälle brauchen wir verlässliche Angebote, Stabilität und Struktur."

Dass sich die Arbeitsministerin um diese Gruppe wirklich kümmert, stellte der Paritätische Wohlfahrtsverband am Dienstag in Abrede. "Wir erleben eine Arbeitsmarktpolitik mit der Abrissbirne. Die Bundesregierung ist dabei, die öffentlich geförderte Beschäftigung faktisch abzuschaffen", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen.

Langzeitarbeitslose in Gefahr

Die Kürzungen in der Arbeitsmarktförderung, die sich bis 2014 auf insgesamt 16 Milliarden Euro belaufen, sowie die Umgestaltung der Eingliederungsmaßnahmen, die das Kabinett vergangene Woche beschlossen hat, gehen laut Paritätischem vor allem zu Lasten schwer vermittelbarer Langzeitarbeitsloser.

Für diese seien bereits bis April binnen eines Jahres die Angebote öffentlich geförderter Beschäftigung um mehr als ein Drittel gekürzt worden. "Über 100.000 Langzeitarbeitslose stehen schon heute zusätzlich auf der Straße", sagte Schneider.

Der Verband legte auch eine Umfrage unter 200 Trägern vor, die unter dem Dach des Paritätischen Fördermaßnahmen für Arbeitslose anbieten und nun selber von Personalabbau betroffen sind. 140 Unternehmen beteiligten sich an der Erhebung. Die Ergebnisse seien "alarmierend": Vier von fünf Trägern gingen davon aus, dass sie ihre Angebote in diesem Jahr nicht aufrechterhalten könnten. "Die Bundesregierung gefährdet mit ihrer Politik die soziale Infrastruktur, die wir im Land für Langzeitarbeitslose vorhalten", sagte Schneider.

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7 Kommentare

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  • M
    Maik

    @Wolfgang Banse: die taz weiß dies ja auch. Sie sagt es uns nur nicht.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Arbeitslosenzahl liegt bei 4 Millionen

    die genannten Arbeitsmarktdaten der Bundesagentur für Arbeit für den monat Mai 2011 stimmen vorne und hinten nicht.Erwerbslose,die kein Geld beziehen beziehungsweise in Maßnahmen sich befinden werden bei der monatlichen Stak nicht mitgezählt.Die reine Erwerbslosigkeit liegt in Deutschland bei 4 Millionen.

    den Menschen sollte kein Sand in die augen gestreut werden,sondern die Wirklichkeit gesagt werden,wie es wirklich um die arbeitslosen steht

  • HK
    Hardy Klag

    Mir wird ganz schlecht, wenn ich sehe, wie die Bevölkerung von der Statistik belogen, verarscht und betrogen wird. Wie kommt es denn, dass wir über 8 Millionen Hartz IV Empfänger haben?? Das sind alles Leute, die von ihren Lohn nicht leben können und zum Amt müssen. Auch die Ausuferung der Prekären Beschäftigung ist eine Katastrophe. Nein wir habe nicht unter 3 Millionen sondern mindetens 8 Millionen Arbeitslose.

    Zu einjen ordentlichen Arbeitsverhältnis gehört eine feste Antellung, tarifliche Bezahlung und eine langfristige Perspektive. Alles Andere ist Dreck.

  • HN
    HANS NIX

    Die Aussage von Schneider, es stünden 100.000 Langzeitarbeitslose auf der Straße, ist natürlich überzogen, denn die Leute erhalten ALG II, wie zig andere und haben eben weniger Chancen, einen 1-EURO-Job zu erhalten. Wenn sie so eine Stelle doch erhalten, ändert dies meist nichts an ihrer Arbeitslosigkeit, so what?

     

    Das wirkliche Problem ist die Statistik und die Anzahl mieser, schlecht-bezahlter Jobs, Aufstockungen auf ALGII (Hartz) und die stille Reserve - das müsste man extrem genau auseinanderrechnen, um wirklich zu wissen, wo der Arbeitsmarkt ist, wie er sich entwickelt.

     

    Gerade die stille Reserve (Arbeitskräfte, die nicht statistisch erfasst werden, die aber durchaus Arbeit suchen) wird heute weder erwähnt, noch berechnet, tatsächlich dürfte gerade durch Hartz-IV und das Gegenrechnen von Einkommen von Ehe-/Lebenspartnern die Anzahl an Job-Suchern viel höher sein, als sie offiziell ausgewiesen wird. Ohnehin ein netter Trick, um die Statistik zu beschönigen, weil meist keiner zu einem Amt geht, nur um sich Arbeitssuchend zu melden (also ohne Leistungsbezug).

     

    Am Ende zählt natürlich nur die Qualität dieses Aufschwungs: Wieviele nachhaltige Strukturen sind entstanden, welche Arbeitsplätze wurden geschafften und welche Perspektiven gibt es für die Zukunft?

     

    Weil die Inlandsnachfrage in Deutschland nach wie vor schwach ist, wird auch bei diesem Aufschwung nicht viel Neues passieren, sprich es wird kaum nachhaltige konjunkturbedingte Impulse für den Arbeitsmarkt geben. Ein großer Teil der Arbeitslosen wechselt für 6, 12 oder 18 Monate in die Zeit- und Leiharbeit, wird danach aber wieder arbeitslos.

     

    Trotzdem wird uns jetzt in schnöder Regelmäßigkeit das Lied vom Fachkräftemangel vorgespielt werden. Und das glaube ich leider nicht. Es ist ein Finte, ein Trick, um junge Leute aus dem Ausland anzuwerben, wobei das EU-Ausland auch heute schon ginge, aber die kommen nicht für Mini-Geld.

  • H
    Hans

    Herrliche Statistikpropaganda! :)

    Ausbeutung der Ärmeren durch Minijobs und Zeitarbeit. Früher hieß das mal Sklaverei und war unbeliebt, heut muss man selbst darum kämpfen.

    4,7 Mio Menschen erhalten ALGII, 775000 Menschen ALGI.

    Und wir haben 3 Mio Arbeitslose...

  • O
    outsource

    Die Einrichtungen, die Arbeitslose betreuen, sind natürlich betroffen. Sie bieten ja diese sinnfreien Maßnahmen an. Diese Maßnahmen werden weder personell gut ausgestattet, noch für den Arbeitslosen passgenau angeboten. Viele Arbeitlose nehmen diese Maßnahmen wahr, weil Ihnen mit Sanktionen der Jobcenter gedroht wird.Vogelhäuschen bauen oder Zäune anstreichen ist für arbeitslose Bauzeichner und Malermeister , die aber aufgrund Ihres Alters keine Beschäftigung mehr finden( ab 50 Jahren geht es ja los), keine Herausforderung und Vorbereitung auf den ersten Arbeitsmarkt. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen wird nur geparkt und fühlt sich demotiviert. Auch ist es für viele Jugendliche demotivierend die zweite Maßnahme und das dritte unbezahlte Praktikum zu machen. Gezielte Förderung bringt mehr.So wird jedoch die Arbeitslosenstatistik geschönt und die Träger freuen sich über Extraeinnahmen. Die Arbeitämter sollten wieder Weiterbildungen anbieten, auch für arbeitslose Akademiker!!! und diesen sinnlosen Maßnahmen -Mist meiden.Genauso sollten 1 Euro jobs abgeschafft werden. Vernichtet auch nur Arbeitsplätze- besondes für akademische Fachkräfte im Sozialbereich.

  • S
    systemix

    Die kriminelle Energie mit der die Arbeitslosenzahlen gefälscht werden, ist wohl der einzige Erfolg, den die Frau vom Leiden zu verkünden hat. Immerhin hat der Herr Weise zugegeben, dass eine realistische Zahl von 4,2 Millionen Erwerbslosen der Wahrheit näher kommt. Was ist mit den staatlich subventionierten Arbeitnehmern, der über eine Million Aufstocker, die noch Leistungen nach SGB II beziehen müssen, weil das Gehalt zum Leben nicht ausreicht?

     

    Das ist schon ein besonderes Beschäftigungswunder. Ehrlicher wäre es wohl von einer 5. Kolonne zu sprechen, die dafür sorgt, dass in Deutschland das gemeine Volk nicht zu gierig wird und sich mit Hungerlöhnen bescheidet. Derweilen verprasst die Obrigkeit den gesamten finanziellen Unterbau dieses Staates, weil systemische Unternehmen auf keinen Fall insolvent werden dürfen.

     

    Als Systemiker ist mir durchaus bewusst, dass es verschiedene Systeme gibt, eines davon heißt "Sockenschussrepublik Deutschland". Es handelt sich dabei um ein System organisierter Kriminalität, bei welcher die Bundesregierung das ausführende Organ ist.