Leichtathletik-WM 2019 in Katar: „Die schlechteste Kandidatur“
Während die Fifa sich bemüht, die WM-Vergabe an Katar reinzuwaschen, vergibt der Leichtathletik-Weltverband die WM 2019 an den Wüstenstaat.
Die Leichtathletik hat so ihre Gesetze. Etwa: Im Spätsommer bei Meetings wie dem „Istaf“ in Berlin oder der „Weltklasse Zürich“ treffen sich die fröhlichen und tragischen Helden des jeweiligen Saisonhöhepunkts zur Revanche. Oder: Sprinter mögen es warm, Marathonläufer dagegen bevorzugen ein laues Lüftchen. Oder auch: Je voller das Stadion, desto besser die Leistungen, desto werbewirksamer die TV-Bilder.
All das haben die Hüter der Leichtathletik nun aber ebenso geflissentlich ignoriert wie die weltweit brodelnden Diskussionen um anhaltende Menschenrechtsverletzungen in Katar: Die Leichtathletik-WM 2019 wird in Doha stattfinden. 15 der 27 Mitglieder des Weltverband-Councils stimmten am Dienstag in Monaco dafür, 12 hätten die Ausrichtung lieber an das amerikanische 160.000-Einwohner-Städtchen Eugene in Oregon gegeben. Barcelona war schon in der ersten Wahlrunde ausgeschieden.
Während die Welt also noch gebannt zuschaut, wie sich der Fußball-Weltverband Fifa in dem Bemühen selbst zerfleischt, die Vergabe der WM 2018 an Russland und 2022 an Katar als korruptionsfreie Prozeduren darzustellen, sitzen die Oberen des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF gemütlich im Fairmont Hotel in Monaco zusammen und geben Katar eine weitere Weltmeisterschaft.
Den Wüstenstaat am persischen Golf prädestinieren weder seine geografische Lage noch seine Traditionen noch eine besondere Affinität seiner Bevölkerung dafür, eine Hochburg des internationalen Spitzensports zu sein. Und doch finden dort neben der Fußball-WM 2022 auch die Kurzbahn-WM der Schwimmer im Dezember, die Handball-WM im Januar 2015, die Straßenrad-WM im September 2016 und die Turn-WM 2018 statt.
Das Land will mit seinen Erdöl-Milliardeneinnahmen moderne Sportstätten und Hotels aus dem Wüstensand stampfen. Die Vermutung, dass einige der Erdöl-Dollar auch den Weg in die Taschen der Entscheider in den Sportverbänden finden, begleitet jede neue Pro-Katar-Entscheidung.
José María Odriozola, der Präsident des spanischen Verbandes und eines der 27 Mitglieder im IAAF-Council, erklärte in Monaco, dass sich „die mit Abstand schlechteste Kandidatur“ durchgesetzt habe, und sagte über Doha: „Das Einzige, was sie dort haben, ist Geld.“
Bis zu 38 Grad Celsius
Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch gaben sich „fassungslos und geschockt“. Man wirft der IAAF „Ignoranz“ gegenüber der seit Jahren laufenden öffentlichen Debatte über die Menschen- und Arbeitsrechte in Katar vor.
In Deutschland ist man zurückhaltender, so mancher aus dem Lager der Leichtathleten schweigt lieber. „Das tangiert mich nicht mehr“, teilte Deutschlands zurzeit berühmtester Leichtathlet, Diskuswurf-Olympiasieger Robert Harting, mit. Der 30-Jährige will seine Karriere also offenbar nicht endlos verlängern. Ob er dennoch eine Meinung habe? „Ja, aber ich möchte sie nicht äußern.“
Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), gab sich „überrascht“. Die Beschwerde seines spanischen Kollegen bezeichnet Prokop „als schwerwiegenden Vorwurf“. Er will das nicht kommentieren. „Ich war in die Vergabe nicht eingebunden und mir fehlen jegliche Informationen, was bei der Entscheidung eine Rolle gespielt hat.“
Für Prokop war Eugene der Favorit. Denn dort, in einem Kernland der Leichtathletik, hätten zum einen noch nie Weltmeisterschaften stattgefunden und man hätte zum anderen mit einem leichtathletikbegeisterten Publikum und einem somit vollen Stadion rechnen können.
Ganz nebenbei würden auch die Spätsommer-Meetings nicht einem nach hinten verschobenen WM-Termin zum Opfer fallen. Prokop betont: „Die Vergabe der WM nach Katar bedeutet eine große Umstellung für den Ablauf des Leichtathletik-Jahres 2019.“
Da die Temperaturen in der Wüste im August, dem traditionellen WM-Monat der Leichtathleten, bis über 40 Grad Celsius liegen, soll die WM 2019 Ende September oder Anfang Oktober stattfinden. Allerdings kann es dann immer noch 35 bis 38 Grad warm werden.
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