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Leichenfledderei?

■ Minister Seehofer will Vorwürfe gegen Krankenhäuser klären

Hamburg/Köln (dpa) – In deutschen Kliniken werden nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel Leichen systematisch geplündert. Den Verstorbenen – so das Blatt – werden Hirn- und Muskelhäute, Knochen, Gehirne, Augen und Hüftgelenk-Prothesen entnommen. Die Leichenteile werden dann laut Spiegel an Pharmaindustrie und Forschungsinstitute geliefert – meist ohne Einwilligung von Angehörigen. Den als Aufwandsentschädigung deklarierten Preis dafür kassierten meist die in den Pathologien angestellten Sektionshelfer – oft auch die Institute selbst.

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) will nun klären, ob der Bericht zutrifft. In diesem Fall müßten rechtliche Konsequenzen geprüft werden, sagte Seehofer dem Mitteldeutschen Rundfunk. Er bezeichnete eine Entnahme von Organen aus Toten ohne Wissen der Angehörigen als „zumindest ethisch höchst bedenklich“.

Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, der Dürener Pathologe Jörg Hoppe, bezeichnete es als gängige Praxis, bei zulässigen Obduktionen nicht verwesende Organe herauszuschneiden. Damit werde lebenden Menschen geholfen. „Dank dieser Organe können Blinde wieder sehen und Taube wieder hören“, sagte Hoppe der dpa. Auf diese Praxis hätten die Ärzte seit Jahrzehnten immer wieder hingewiesen. „Es hat bislang niemand einen Anlaß gesehen, daraus einen Skandal zu machen.“ Die Organentnahme bei zulässigen Obduktionen sei nicht verboten. Derzeit würde im Durchschnitt etwa bei zehn Prozent aller Verstorbenen eine sogenannte innere Leichenschau vorgenommen.

Ein am Kasseler Klinikum beschäftigter Sektionshelfer sagte dem Spiegel, mit dem Geld werde die „Kaffeekasse“ der Pathologie gefüllt. Verantwortliche der Pharmafirmen erklärten, sie gingen von einer Einwilligung der Spender oder deren Angehörigen aus.

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