Kommentar: Leerstelle
■ Plünderungen im freien Raum
Eine losgelassene Horde feiernder, leicht bis mittel alkoholisierter Menschen randaliert im Viertel, und niemand greift ein. Wie schon so oft. Wahllos wird zerstört und geplündert, reiner Zufall, daß keine Menschen verletzt worden sind. Was bedeutet es, daß allein ein beherzter Wirt verhindert hat, daß ein Bagger in Flammen aufging, vielleicht explodierte, mitten im Wohngebiet? Und ist ein kleines Juweliergeschäft nichts, ist es nichts, wenn da in einer Nacht nur so zum Spaß Existenzen zerstört werden? Waren das alles Kavaliersdelikte, Streiche vernachlässigter Dummerjungen? Fast scheint es so, denn viele Menschen standen in dieser Nacht seelenruhig dabei, als sich ihre Kinder mal so richtig austoben konnten.
Die Reaktionen danach bewegen sich zwischen Empörung und unverhohlener Freude: Die einen krakeelen nach der Polizei. Was für ein Quatsch. Als ob wir es uns leisten könnten, eine Hundertschaft in permanenter Bereitschaft zu halten. Und die anderen? Die Stimmung im Viertel am Morgen danach: klammheimliche Bewunderung. Und Augenzwinkern. Als ob die Gewalt im Rausch der Sinne ein harmloser Spaß gewesen wäre. Irgendwie hätte sich offenbar jeder vorstellen können, dabei gewesen zu sein.
Solange die Nacht zum Samstag nicht in die Gesellschaft zurückgeholt und ernsthaft beredet wird, so lange können wir uns schonmal vorbereiten: Bis zum nächstenmal. Jochen Grabler
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