piwik no script img

Lech Walesa prallt bei Adam Michnik ab

Walesa will Präsident in Polen werden und paktiert nun mit der politischen Rechten / Nach der Entlassung des Bürgerkomitee-Sekretärs Wujec will er auch Adam Michnik als Chefredakteur der 'Gazeta Wyborcza‘ absetzen, hat aber mit seiner Strategie bisher keinen Erfolg  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

„Wir haben es hier mit einem Verweis zu tun, den Walesa einer Zeitung erteilt hat, die als Organ von Solidarnosc angesehen wird, obwohl sie das nicht ist“, findet Jaroslaw Kaczynski, Chefredakteur des 'Tygodnik Solidarnosc‘, des tatsächlichen Organs der Gewerkschaft. Kaczynskis Auftritt im Fernsehen ist die bisher klarste Äußerung im Streit um das Flaggschiff des polnischen Journalismus, die 'Gazeta Wyborcza‘, der ausgebrochen ist, nachdem Lech Walesa versucht hat, einen der herausragenden Intellektuellen Polens, Adam Michnik, als deren Chefredakteur abzusetzen. Kaczynskis Äußerung macht deutlich, worum es geht: Um die Macht.

Daß Lech Walesa Präsident werden will, hat er bereits seit Wochen bei nahezu jeder Gelegenheit deutlich gemacht. Doch nicht alle seiner alten Freunde ziehen mit. Sowohl die Führung des Parlamentarischen Bürgerklubs in Warschau, die Regierung selbst, als auch weite Teile der Presse, das Regierungsorgan 'Rzeczpospolita‘ und die 'Gazeta Wyborcza‘ an der Spitze, sind nach wie vor gegen vorgezogene Präsidentenwahlen und gegen einen Präsidenten Walesa. Sie bevorzugen eine Kandidatur von Premier Mazowiecki. Bald zeigte sich sogar, daß Walesa nur mit der Unterstützung einer Gruppe rechnen konnte: Die um die Zwillingsbrüder Jaroslaw und Lech Kaczynski gescharte Redaktion des 'Tygodnik Solidarnosc‘ und die Solidarnosc-Führung in Danzig. Der 'Tygodnik Solidarnosc‘ begann eine Pro-Walesa Kampagne, die 'Gazeta Wyborcza‘ hielt dagegen.

In dieser Situation sandte Walesa dem Chefredakteur der 'Gazeta Wyborcza‘, Adam Michnik, am 1.Juni per Telefax einen Brief nach Warschau, in dem er Michnik bat, selbst die Art und Weise vorzuschlagen, auf welche Art er abberufen werden wolle. Zugleich kündigte er an, der 'Gazeta Wyborcza‘ das Recht auf die Verwendung des Solidarnosc-Signets zu nehmen und entließ Henryk Wujec als Sekretär des Bürgerkomitees. Am 4.Juni folgte der nächste Versuch, Michnik abzuberufen.

Formell hat Walesa wenig Handhabe, sich Michniks zu entledigen, da die 'Gazeta Wyborcza‘ anders als der 'Tygodnik Solidarnosc‘, in dem Walesa vor einem Jahr einfach den Chefredakteur austauschte, kein Eigentum oder Organ der Gewerkschaft ist. Die 'Gazeta Wyborcza‘ wurde als private GmbH vor einem Jahr von dem Regisseur Andrzej Wajda, dem jetzigen Wohnungsbauminister Aleksander Paszynski und Zbigniew Bujak gegründet, im Laufe der Zeit kamen noch zahlreiche Mitarbeiter der Zeitung als Anteilseigner hinzu. Walesa entzog Michnik denn auch nur sein Vertrauen und schrieb, „eine neue Nominierung mußt Du von der GmbH erhalten“. Die hat Michniks Rücktrittsangebot inzwischen auch bereits abgelehnt.

Walesa geht zunehmend auf Distanz zur Regierung, „für die ich mich schäme“, wie er sich vor kurzem sogar ausdrückte, und entdeckt zunehmend sein Herz für die politische Rechte. Bislang war er von seinen besonders national orientierten Kreisen immer angegriffen worden, weil er mit der „laizistischen Linken“ um Michnik, Geremek und die 'Gazeta Wyborcza‘ paktiert habe. Mit dem versuchten Rauswurf Michniks hat er jetzt allen Polen, aber vor allem der nationalistischen Rechten gezeigt, daß er zu „diesen Leuten“ auf Distanz gegangen ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen