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Lebensrettendes Spiel

■ Ehemalige Prostituierte sagte als Belastungszeugin gegen Hautarzt aus

Das Gesicht mit einer Zeitung vor den Fotografen schützend, stöckelte die mit einem braunen Minikostüm bekleidete 30jährige berufslose Ramona C. gestern an der Seite ihres Nebenklägers in den Gerichtssaal. Die ehemalige Prostituierte ist Hauptbelastungszeugin im Prozeß gegen den 36jährigen Hautarzt Stefan S., der seit zwei Wochen wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes an Prostituierten vor einer Strafkammer steht. Die Scheu der Zeugin vor dem Kameralicht wirkte etwas übertrieben: Schließlich hat sie die Exklusivrechte an ihrer Geschichte an Bild verkauft und wird heute abend live bei „Schreinemakers“ auftreten.

Vor Gericht sagte die Zeugin, der Angeklagte habe sie an drei Tagen hintereinander auf dem Straßenstrich als Freier aufgesucht. Nachdem es beim dritten Mal in seinem Pkw zu sexuellen Kontakten gekommen sei, habe er mit einem Hammer auf sie eingeschlagen und mit einem Messer auf sie eingestochen. In Todesangst habe sie gefleht, sie liebe ihn doch, er möge aufhören. Unterbrochen von einem Weinkrampf, sagte die Zeugin: „Ich habe ein Spiel mit ihm gespielt, das ich anscheinend gewonnen habe, sonst wäre ich wohl nicht hier.“

Anschließend war die Zeugin eigenen Angaben zufolge mit dem Arzt in dessen Wohnung gefahren, um seinen Namen am Türschild zu erfahren. Dort habe Stefan S. sie mit dem Trageriemen einer Tasche zu würgen versucht, aber wieder von ihr abgelassen, als seine Wunde an der Hand zu bluten angefangen habe.

Der Hautarzt bestritt, die Taten begangen zu haben, und berief sich auf Notwehr. Er behauptete, die drogenabhängige Ramona C. habe von ihm einen Drogenersatzstoff verlangt und ihn unvermittelt mit einem Messer angegriffen. Er habe ihre Attacken mit dem Hammer und später mit dem Messer abgewehrt.

Die Zeugin kommentierte das selbstbewußt mit einem ironischen „natürlich!“ und erklärte dann sehr ernst, davon sei kein Wort wahr. Nach der Tat habe sie fünf Wochen im Krankenhaus gelegen, mehrere ihrer Finger seien taub. Außerdem habe sie Alpträume und Kopfschmerzen und könne seit dem Vorfall nicht mehr anschaffen gehen.

Der Prozeß wird am Montag fortgesetzt. plu

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