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Lebensdaten

Otto Selz wird am 14. Februar 1881 als Sohn des Kaufmanns Sigmund Selz und seiner Frau Laura, geborene Wassermann, Tochter eines Essigfabrikanten, in München geboren.

Selz studiert zunächst Jura, parallel dazu besucht er Vorlesungen in Philosophie und Psychologie. 1907 legt er die erste und zweite Staatsprüfung in Rechtswissenschaft ab, lässt sich ein Jahr später als Rechtsanwalt eintragen und vereidigen. 1909 promoviert er über psychologische Erkenntnistheorie. Auf dem Psychologenkongress in Leipzig 1912 trägt er die ersten Ergebnisse seiner Arbeit zum „Verlauf geistiger Prozesse“ vor, Ende desselben Jahres wird er habilitiert und lässt seine juristische Zulassung rückgängig machen.

Am 1. Juli 1915 wird Selz einberufen und an die Westfront beordert, er ist Teilnehmer der Stellungskämpfe gegen Frankreich, nach einer Erkrankung von 1917 an Beamter im Kriegsministerium in Berlin.

1923 wird Otto Selz Professor für die Fächer Psychologie, Pädagogik und Philosophie an der Handelshochschule Mannheim, 1929 wird er deren Rektor. Er setzt sich für die Volkshochschule ein und untersucht unter anderem Lernfördermöglichkeiten für Kinder.

Im April 1933 erfolgt die Zwangsentlassung aus dem öffentlichen Dienst. Im November 1938 wird Selz nach Dachau deportiert. Im Dezember 1938 wird er entlassen. Im Mai 1939 emigiriert er in die Niederlande.

Beim Überfall der deutschen Wehrmacht im Mai 1940 befinden sich noch etwa zwanzigtausend deutsche Flüchtlinge in den Niederlanden. 1941 werden etwa fünfzehntausend in den Niederlanden verbliebene deutsche Juden registriert. Rund 105.000 von den 140.000 Juden in den Niederlanden werden vor allem über Westerbork Richtung Osten deportiert; die meisten sterben in Sobibór, Auschwitz und Theresienstadt.

Im Juli 1943 wird Otto Selz verhaftet und in Westerbork interniert. Am 24. August 1943 erfolgt seine Deportation nach Auschwitz. Selz stirbt auf dem Transport oder nach der Ankuft in den Gaskammern. Von den insgesamt etwa dreißigtausend überwiegend jüdischen Flüchtlingen, die aus („Groß“-)Deutschland in die Niederlande geflohen sind, wird am Ende des Krieges fast die Hälfte ermordet sein.

Literatur: Ausgewählte Schriften von Otto Selz, unter anderem mit der letzten Vortragsreihe im Amsterdamer Exil, finden sich in: Otto Selz, „Wahrnehmungsaufbau und Denkprozeß“. Herausgegeben von Alexandre Métraux und Theo Hermann, Verlag Hans Huber, Bern 1991, 202 Seiten, 26,95 Euro

Zu den Niederlanden unter deutscher Besatzung: Gerhard Hirschfeld, „Fremdherrschaft und Kollaboration. Die Niederlande unter deutscher Besatzung“. DVA, Stuttgart 1984 (nur noch antiquarisch erhältlich).

Nanda van der Zee: „ ‚Um Schlimmeres zu verhindern‘ … Die Ermordung der niederländischen Juden: Kollaboration und Widerstand“. Hanser Verlag, München 1999, 343 Seiten 23,50 Euro

Zum „Durchgangslager“ Westerbork: Philip Mechanicus, „Im Depot. Tagebuch aus Westerbork“. Edition Tiamat, Berlin 1993, 384 Seiten (nur noch antiquarisch erhältlich)

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