■ QUERBILD: Leben nach dem Tod in Denver
In dieser Stadt scheint niemand mehr eine Zukunft zu haben. Zumindest jene Männer, denen wir in Das Leben nach dem Tod in Denver begegnen, leben im Sog ihrer Vergangenheit – Zukunft bedeutet hier höchstens einen begrenzten Zeitraum, sich an das Vergangene erinnern zu können, vielleicht damit ins Reine zu kommen.
Jimmy „The Saint“ (Andy Garcia), der elegante Ex-Gangster und Ex-Priesterschüler, bildet da keine Ausnahme. Nicht nur, daß er den Videoservice „After-life Advice“ betreibt, mit dem Menschen kurz vor ihrem Tod den Angehörigen einen letzten, bleibenden Ratschlag hinterlassen können; Jimmy muß zudem noch einmal in sein früheres Leben als Gangster zurückkehren. Für seinen alten Boß, „Der Mann mit dem Plan“ (Chistopher Walken), der im Rollstuhl den Tod erwartet, soll Jimmy dafür sorgen, daß dessen verstörter Sohn seine längst verlorene Jugendliebe Ellie zurückgewinnt. Dafür muß Ellies derzeitigem Verlobten der sofortige Rückzug nachdrücklich nahegelegt werden.
Noch einmal versammelt Jimmy darum seine ehemaligen Komplizen um sich, die – wie Pieces (Christopher Lloyd), der nach und nach seine Finger verlor – zu wenig Geld und zu wenig Zukunft besitzen, um das Angebot auszuschlagen. Die Aktion wird zu einem desaströsen Mißerfolg und der Boss setzt den unfehlbaren Profi-Killer Mr. Shhh (Steve Buscemi) auf alle Beteiligten an.
In einem gleichmäßigen, durch einzelne Aufregungen pointierten Rhythmus entwickelt sich diese Geschichte. Sie fließt dahin, wie auch den erfolglosen Ganoven um Jimmy „The Saint“ und selbst dem allmächtigen „Mann mit dem Plan“ das Leben unaufhaltsam durch die Finger zu rinnen scheint. Dabei ist es nur zu offensichtlich eine reine Männerwelt, der Regisseur Gary Fleder in seinem Debüt die Zukunft verweigert. Frauen dagegen stehen in seinem Film als Hoffnungsschimmer für ein Leben, das Glück verheißt. Zugleich sind sie vor allem Meßinstrumente, eine Art Lackmus-Test für die obsolet gewordene männliche Gesellschaft.
Zwischen sarkastischer Komik und einem tragischen Fatalismus – die Video-Toten von „Afterlive Advice“ kommentieren regelmäßig die Ereignisse – erzählt Das Leben nach dem Tod in Denver von der letzten, gleichsam unmöglichen Liebe in Jimmys Leben. Und eben jene Dagney beschreibt bei einem Treffen im Museum zwischen Saurierskeletten Jimmys Problem mit dem Wort „Doppelleben“. Es ist aber keines zwischen Unterwelt und Bürgertum, sondern zwischen Vergangenheit und Zukunft, das sich mit dem Eintritt in jene Männerwelt längst für den Tod entschieden hat.
Jan Distelmeyer Aladin, City, Zeise
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