Leben mit Schadstoffen: Dicke Luft in der Hafencity
Die SPD-Fraktion fordert, im südlichen Teil des Überseequartiers Wohnungen zu bauen. Das geht nur mit Landstrom, sagen die Grünen.
HAMBURG taz | Nachdem einer der drei Investoren abgesprungen ist, fordert die SPD-Bürgerschaftsfraktion ein neues Konzept für das Überseequartier in der Hafencity. Mehr Wohnungen sollen her – die Sache hat nur einen Haken: Wohnungsbau ist dort bislang nicht möglich – auch weil die Schadstoffbelastung durch Kreuzfahrtschiffe laut Hafencity GmbH zu hoch ist.
Der Ausstieg des Investors macht „eine zügige Entwicklung des südlichen Überseequartiers unwahrscheinlich“, heißt es in einem SPD-Antrag, der der taz vorliegt. „Er bietet aber auch die Chance, nicht nur Büros zu bauen“, so der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dirk Kienscherf. Der Senat soll nun prüfen, ob im südlichen Teil des Überseequartiers Wohnraum geschaffen werden kann. Bis zu 200 Wohnungen könnten hier entstehen. „Fehlentwicklungen“ hätten dazu geführt, dass man heute mit der U4 eine U-Bahn habe, aus der man aussteigt und auf eine Bauwüste blickt, so Kienscherf.
Das Überseequartier wurde bisher von einem Konsortium von drei Investoren entwickelt. „Wegen unterschiedlicher konzeptioneller Auffassungen“ haben sich die drei Investoren entschieden, dass der niederländische Investor ING das Konsortium Anfang Dezember verlässt.
Durch die Wirtschafts und Finanzkrise verzögerte sich vor allem der Bau des südlichen Areals immer wieder. Um weitere Verzögerungen des Bauprojekts zu verhindern, verpflichtete sich die Stadt 2010 durch einen Nachtrag im Kaufvertrag bis zu 50.000 Quadratmeter Büroflächen anzumieten. Dennoch ließen die Investoren den geplanten Baubeginn zum 1. Oktober 2010 verstreichen, bis heute liegen weite Teile der südlichen Baufläche brach. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion fordert in dem Antrag vom Senat auch, zu prüfen, ob die vertraglichen Verpflichtungen der Stadt angesichts der aktuellen Entwicklungen weiter Bestand haben.
Die Investoren beschwichtigen. „In naher Zukunft“ werde man wieder volle Fahrt aufnehmen, um eine rasche Weiterentwicklung zu gewährleisten. „Der Ausstieg macht uns ein ganzes Stück flexibler“, erklärt der Geschäftsführer der Überseequartier Beteiligungs-GmbH, Nikolaus Bieber. Im nördlichen Teil des Überseequartiers hat das Konsortium bislang 350 Wohnungen gebaut. Im südlichen Teil haben erstmal die Shoppingcenter-Pläne Vorrang. Denn nicht nur das Kreuzfahrtterminal, sondern auch die geplante „intensive Einzelhandelsnutzungen“, kommen dem Wohnungsbauvorhaben in die Quere. „Die sind notwendig, um vom Kernbereich der Hafencity aus Urbanität und Lebendigkeit zu sichern“, erklärt Susanne Bühler, Sprecherin der Hafencity GmbH. In welchem Maße hier vor allem in den Obergeschossen Wohnen integriert werden kann, werde derzeit geprüft.
Die Grünen begrüßen den Vorstoß der SPD-Fraktion, im Überseequartier auch Wohnungen zu bauen. „Allerdings hat die SPD anscheinend übersehen, dass im Überseequartier momentan gar kein Wohnungsbau erlaubt ist“, sagt Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. Die giftigen Abgase der Kreuzfahrtschiffe am Terminal in der Hafencity lassen ein Wohnen im südlichen Teil des Überseequartiers – einer der teuersten Flächen der Stadt – bislang nicht zu.
Der Senat hat sich Ende Oktober zwar für einen Landstromanschluss für Kreuzfahrtschiffe am Terminal in Altona ausgesprochen, im gleichen Zug aber einem Anschluss in der Hafencity eine Absage erteilt, weil dieser als deutlich teurer und weniger wirtschaftlich gilt. Für die Grünen muss der SPD-Senat diese Entscheidung nun überdenken.
Um den Wohnungsbau dort zu ermöglichen, müsse schnell eine Landstromlösung her, so Kerstan. Um die Kreuzfahrtschiffe an die Steckdose zu legen, müsste der Senat aber erstmal 18 Millionen Euro investieren.
Leser*innenkommentare
Harro
Gast
"Bis zu 200 Wohnungen könnten hier entstehen. „Fehlentwicklungen“ hätten dazu geführt, dass man heute mit der U4 eine U-Bahn habe, aus der man aussteigt und auf eine Bauwüste blickt, so Kienscherf."
Darauf wäre ich nicht gekommen, aber die U4 wird wohl auch als die Geister-U-Bahn in die Hamburger Geschichte eingehen, denn sie ist ein Luxusobjekt erster Güte: Die HafenCity hat gerade mal ca. 1500 Einwohner, aber eben den direkten Weg zum Jungfernstieg. Damit dieses Luxusobjekt eine bessere Auslastung erfährt, sollen jetzt ein paar Wohungen maritime Abluft einatmen können, fragt sich nur, wie das gehen soll.
Die SPD lamentiert mal, sie hätte ja null Kohle in der Kasse vorgefunden, also können sie auch nix machen, sind aber unschuldig dabei, mal meinen sie, sie könnten dem Bürger doch noch helfen, und ihm eine voll Dosis Stadtentwicklung verpassen. Bislang passiert in diese Richtung aber nicht viel. Überall stehen Wohnungen und Läden leer, von Zwangsbemietungen etc. ist nichts zu spüren.
Und auch die U4 wird noch lange als Märklin-Bahn im Realformat durch den Hamburger Untergrund rollen. Schön, dass wir solche Spielzeuge haben.
mimi-kri
Gast
18 Millionen Euro für Landstromanschluss?
Dafür hat die Stadt kein Geld - schließlich ist die neue Brücke zur Geld-Viel-Harmonie wichtiger (die ist doch wohl hoffentlich aus Gold!?)