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Leben in einem fremden Körper

■ Heute öffnet die erste Beratungsstelle von Transsexuellen für Transsexuelle Von A. Bolz

Stellen Sie sich vor, sie leben in einem Körper, der nicht Ihnen gehört: ein Zustand, der nur im Film zu amüsanten Episoden führt. In der Realität erwachsen daraus zahlreiche Probleme. Transsexuelle müssen in einem Körper mit dem falschen Geschlecht leben. Denn manche biologischen Männer fühlen sich als Frau, manche biologischen Frauen fühlen sich als Mann. Dabei ist dieses Empfinden nicht mit der Freude an Frauenkleidung – wie bei Transvestiten – oder mit der sexuellen Orientierung von Homosexuellen zu verwechseln.

Um den Transsexuellen bei ihren vielfachen Problemen kompetent zur Seite stehen zu können, gründeten Betroffene in Hamburg die erste europäische Beratungsstelle für und von Menschen mit Geschlechtsidentitätsproblemen, kurz: BfTS, die heute abend um 19 Uhr eröffnet wird. Zwei transsexuelle SozialarbeiterInnen und eine Bürokraft arbeiten dort. Finanziert wird die BfTS über die Behörde für Gesundheit, Arbeit und Soziales; für 1994 bewilligte der Senat insgesamt 194.000 Mark.

Obwohl das Phänomen der Transsexualität schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich bekannt ist, gab es in Norddeutschland bislang nur eine einzige Anlaufstelle: das Institut für Sexualforschung im Universitätskrankenhaus Eppendorf. Doch gerade in der Phase der Unsicherheit fällt es den meisten Transsexuellen schwer, sich deswegen in ein Krankenhaus zu begeben. Eine niedrigere Hemmschwelle besteht bei den Selbsthilfegruppen. Dies reflektieren auch interne Statistiken: Während das UKE zwischen 40 und 50 Transsexuelle betreute, konnte die Hamburger TS-Gesellschaft bislang ungefähr 200 Menschen ein offenes Ohr und Hilfe anbieten. Insgesamt wird die Zahl der Hamburger Transsexuellen vom BfTS auf 9600 geschätzt.

Hervorgegangen ist die BfTS aus der seit vier Jahren bestehenden TS-Gesellschaft, die sich bislang von Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanzierte und die Trägerverein der BfTS ist. Ihre Aufgaben sieht die Beratungsstelle vor allem in der Betreuung derjenigen, die mit ihrer Geschlechtsidentität Probleme haben könnten. Dazu zählt die BfTS nicht nur Transsexuelle, sondern auch Hermaphroditen, Transvestiten, Homosexuelle.

Vielen sind die schönen Transsexuellen nur aus der Schmuckstraße auf St. Pauli bekannt. Denn dort müssen viele für ihren Lebensunterhalt sorgen. Meist ist es für sie schwierig, sogenannte bürgerliche Berufe zu ergreifen oder zu behalten. Den meisten bleibt als Arbeits- und Lebensraum nur die soziale Nische. Von ihren Eltern werden sie nicht selten verstoßen, von den Behörden nicht ernst genommen und von ihrer Umgebung psychisch und physisch angegriffen.

Der Wunsch, den passenden Körper zu besitzen, ist bei den meisten Transsexuellen so groß, daß sie beim Amtsgericht eine entsprechende Personenstandsänderung beantragen und das Risiko einer Geschlechtsumwandlung auf sich nehmen. Die Kosten für eine Operation (zwischen 30.000 und 40.000 Mark) und eine Hormonbehandlung tragen die Krankenkassen, wenn zwei Gutachten, ein ärztliches und ein psychologisches, vorliegen. Weil nur zwei ChirurgInnen in der BRD diese Operationen durchführen, gibt es Wartezeiten bis zu fünf Jahren.

In dieser Zeit müssen Transsexuelle den Behörden und Gutachtern immer wieder beweisen, daß sie „gute“ Mitglieder der Gesellschaft werden wollen. Für Mann-zu-Frau-Transsexuelle heißt das, „eine weibliche Erscheinung“ zeigen zu können. Im Klartext: lange Haare, Schminke, lackierte Fingernägel.

Ein antifeministischer Rückfall? Den Mann-zu-Frau-Transsexuellen bedeutet es viel; denn ihr Ziel ist es, in der Gesellschaft nicht mehr aufzufallen und ein angepaßtes, normales Leben führen zu können.

BfTS, Spaldingstraße 1b, Mo - Fr, 10 - 16 Uhr.

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