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Leben in UngarnEin Becher Kaffee für 3 Euro

Wirtschaftlich geht es den meisten Ungarn schlecht. Die Schuld suchen sie gern bei anderen. Solange es sie sich leisten können, zählt für viele vor allem eines: Konsum.

Wer es sich leisten kann, geht shoppen: Hochzeitsmesse in Budapest. Bild: dpa

BUDAPEST taz | Arena Plaza, das neue Einkaufszentrum in Budapest, ist einer dieser riesigen Malls: Beton, viel Glas, ein Kino mit 23 Sälen. Es liegt im Stadtzentrum, gleich neben dem historischen Ostbahnhof. Familien und Pärchen bummeln durch die wohlbeheizten Läden, manche kaufen Flachbildschirme, vor der Starbucks-Filiale stehen sie Schlange. Dabei ist der Kaffee hier teuer, zwei bis drei Euro kostet er, in einem normalen Café sind es nur ein Euro.

Die wirtschaftliche Lage ist schlecht in Ungarn, aber solange es geht, konsumieren die Leute - und suchen einen Sündenbock. Sie schimpfen auf alle, die die Regierungspartei Fidesz gewählt haben, die Vorgängerregierung oder die EU.

Das Zentralinstitut für Traumatologie liegt ein paar Schritte weiter, 8. Bezirk, Josefstadt. In die Unfallchirurgie kommen Obdachlose, Roma und durchreisende Osteuropäer. Ein 68-jähriger ehemaliger Oberarzt praktiziert hier, er ist pensioniert, arbeitet aber immer noch - das ist für Ungarn typisch.

Ärzte wurden schon immer schlecht bezahlt. "Als Arzt verdient man zwischen 400 und 600 Euro, davon kann man nicht leben", sagt der Arzt. Viele nehmen deshalb kleine Geschenke an, Geld, Schnaps oder Hühner. Die Patienten sind selber arm, aber was macht man nicht alles, um behandelt zu werden?

In der Nähe des Opernhauses an der Andrássy Allee befindet sich der Franz-Liszt-Platz mit etlichen Cafés und teuren Restaurants. Die Gäste kommen nach wie vor, auch wenn das Portemonnaie kaum erlaubt. So wie die Kosmetikerin Kriszta B., 39. "In der Schönheitsindustrie ist die Krise greifbar", sagt sie. "Die Frauen färben sich die Haare lieber zu Hause. Ich gehöre zu dem Glücklichen, die trotzdem den ganzen Tag Kunden haben." Sie muss das Geld verdienen für ihre Familie, ihr Mann ist schon lange arbeitslos, er jobbt hin und wieder, meistens schwarz.

Immer wieder rassistische Übergriffe

In Budapest gibt es wenigstens die Chance, Arbeit zu finden. Auf dem Lande ist es viel schwieriger. Vor allem im Nordosten, wo die Arbeitslosigkeit größer ist und auch die Hoffnungslosigkeit. Die Armut ist hier greifbar. Manche flüchten sich in den Alkohol. Und für manche sind die Roma, die hier leben, der Sündenbock. Immer wieder gibt es rassistische Übergriffe.

Csaba J., 32, kommt von dort, aus Fehérgyarmat, einer Kleinstadt an der Grenze zu Rumänien und zur Ukraine. Inzwischen ist er nach Berlin gezogen. "Immer wenn ich dort zu Besuch bin, werde ich gefragt, wie ich es geschafft habe, dort einen Job zu finden. Die jungen Menschen wollen weg. Und mittlerweile die älteren, die eine Familie haben, auch."

In Südungarn, wo Landwirtschaft betrieben wird, geht es noch, aber dort, wo die Industrie jetzt tot ist, bleibt einem nichts übrig, als nach Budapest zu ziehen, auszuwandern oder sich anderswie zu helfen. Schmuggel aus der Ukraine, Schwarzarbeit. Der Ungar hilft sich, wie er kann.

Wer einen Garten auf dem Lande hat und Tiere hält, schickt seiner Familie in die Stadt Früchte und Fleisch. EU-Richtlinien haben da einiges schwerer gemacht, die Schweine dürfen nicht mehr mit Speiseabfällen gefüttert werden. Aber immerhin: Es werden weiter Schweine gezüchtet. Und komme, was wolle: Der Ungar, so heißt hier ein Sprichwort, lebt weiter, "weinend und feiernd".

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7 Kommentare

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  • D
    DonQuichote

    Verwirrte Liebeserklärung am 19.1. 19:48 Uhr? „Wer nicht mithalten kann, verliert den Anschluss und scheidet aus dem gesellschaftlichen Leben aus. Die "Teilhabekosten" treiben nicht nur in Ungarn die Menschen zur Verzweiflung.“ Da fiel Herrn Farenski nur die gute alte "Internationale" ein.

     

    - Anders Frau Frenyo: „Dabei ist der Kaffee hier teuer, zwei bis drei Euro kostet er. In einem normalen Café ist es nur ein Euro. Die wirtschaftliche Lage ist schlecht in Ungarn, aber solange es geht, konsumieren die Leute - und suchen einen Sündenbock.“ Keine Rede von Farenskis „Verzweiflung“, leider aber auch keine von glaubwürdigen Gründen für die wirtschaftlich schlechte Lage in Ungarn oder von wirtschaftlichen Ideen für Ungarn.

  • FF
    Frank Farenski

    Anna Frenyo stellt die richtige Frage: Wie kann die ganze Konsummaschinerie bei so niedrigem Einkommen funktionieren? Ein globalisiertes Preisgefüge, auch in Peking kostet ein Starbucks-Kaffee drei Euro, nimmt keine Rücksicht auf regionale Einkommensgrößen und treibt die Menschen in absurde Ausgaben hinein. Wer nicht mithalten kann, verliert den Anschluss und scheidet aus dem gesellschaftlichen Leben aus. Die "Teilhabekosten" treiben nicht nur in Ungarn die Menschen zur Verzweiflung. Da fällt einem die gute alte "Internationale" ein, um modernisiert nicht nur global gleiche Preise sondern auch globale Chancen und Lebensbedingungen zu verlangen. Dann verschwinden auch die nationalistischen Populisten. Danke für den herzerfrischenden Situationbericht aus Ungarn!

  • PW
    Potentiell Wettbewerbsfähig?

    Könnten ungarische Kliniken wettbewerbsfähig zu deutschen werden?

    Deutsche Motive für Auslandsreisen „Sonne (bzw. Sonnenbrand) tanken“, „Fremdes entdecken“ verlieren an Bedeutung. Wie wäre es mit den Motiven „profess. Gesundheitspflege“ in Ungarn und Griechenland, „mediz. Klinikbesuche inkl..OP“, „Auswahl möglichen Alterswohnsitzes“, „Besuch von Verwandten am Alterswohnsitz“?

    Könnte eine wesentlich intesivere medizinsche Arbeitsteilung und Zusammenarbeit zwischen deutschen Krankenkassen, deutschen Ärzten und ungarischen Kliniken und Hotels das deutsche Gesundheitsniveau nachhaltiger sichern, unsere Pflegeversicherung entlasten und Almosen an Regierungen industriell nicht wettberwerbsfähiger Nachbarländer auf Dauer ersetzen?

    Läge da eine wichtige Aufgabe für Gesundheitsminister, Wirtschaftsminister und Finanzminister? Der Staat ist prädestiniert für Sprachförderung, Rahmenregelungen, Infrastruktur, Qualitätssicherung und Aufbau von Vertrauen.

  • WM
    wagner margit

    Ihren Kommentar hier eingeben Die sche...s bifke sind a net besser

  • D
    Denker

    Es ist immer wieder erstaunlich was für eine bberflächliche Suppe berichtet werden kann. Wer sich tatsächlich dafür interessiert, was in Ungarn zur Zeit stattfindet und worauf dies zurückzuführen ist, der sollte den Artikel "Der Stand der Dinge" von Peter Nadas, erschienen in der aktuellen Ausgabe von "Lettre, International" lesen. siehe http://www.lettre.de/beitrag/nadas-peter_der-stand-der-dinge

  • B
    BeobachterHH

    Einer der schwächsten Artikel, den ich bislang hier gelesen habe, denn er beschreibt nur Oberflächenphänomene, ohne sich die systemischen Grundlagen dahinter anzusehen. Warum ist es wohl so,d ass viele Menschen dort arm sind trotz lebenslanger Arbeit? Nur festzustellen,d ass sie s sind, reicht nicht.

  • AP
    Auf Pump

    Ungarischer Konsum auf Pump ist verbunden mit deutschem EXPORT auf PUMP.

    EXPORT auf PUMP ist eine innereuropäische Illusion von deutschem Erfolg. Doch die deutsche Wirtschaft insgesamt profitiert NICHT von Lieferungen, die letztlich nicht aus den Importländern Ungarn, Griechenland, Portugal, Belgien, etc. bezahlt werden, sondern von deutschen Steuerzahlern.

    EU-intern muss deutsche Wirtschaft sich darauf fokussieren, potentielles WACHSTUN AUS MEHR IMPORTEN aus diesen Ländern zu ziehen bei Verzicht auf Eigenproduktion dessen, was auch importiert werden könnte.

    IMPORTE, innovative Arbeitsteilung, Lieferketten und Qualitätsmanagement bei Importen muss die Politik fördern, Exporte in Länder zeitweise erschweren, die unsere besondere Solidarität benötigen. Auch zollähnliche Regelungen dürfen kein Tabu sein.