■ Ausländerjagd zum Wahlkampfauftakt in Frankreich: Le Pen läßt grüßen
Es gab eine Zeit, da bekämpfte die französische Linke – einig wie selten – die Gesetze des Innenministers Pasqua. Seine harten Maßnahmen gegen „illegale Immigration“ galten als Verrat an den universellen Werten der Republik. Die Einführung dieser Pasqua-Gesetze ist erst drei Jahre her und doch schon eine Ewigkeit – inzwischen steht ihre Verschärfung auf der französischen Tagesordnung.
Der neue Innenminister, der Justizminister und der Premierminister haben jeweils Gesetzentwürfe in der Schublade, gegen die sich die alten Regelungen harmlos ausnehmen. Sie wollen von Ausländern aus visumpflichtigen Staaten Fingerabdrücke nehmen, die Daten ihrer Gastgeber in Frankreich erfassen, Ausländern ohne Papieren die medizinische Hilfe verweigern, selbst Minderjährige abschieben und die Abschiebehaft verlängern. Am perfidesten ist das Projekt aus dem Justizministerium, das Hilfe für „illegale Ausländer“ mit „Terrorismus“ gleichsetzt und unter hohe Gefängnisstrafen stellt.
1993 wie heute befand sich Frankreich zwei Jahre vor einem wichtigen Urnengang: 1995 ging es um einen neuen Präsidenten, 1998 geht es um ein neues Parlament. Und damals wie heute stand der Rechtsextreme Le Pen drohend vor den Toren. Um seine fremdenfeindliche Politik zu bremsen, schürten die Konservativen ihrerseits dieses Ressentiment.
Zu der neuerlichen Jagd auf die „Illegalen“ gehört der in dieser Woche vorgelegte Bericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission mit 46 repressiven Empfehlungen. Dazu kommen die Absichtserklärungen, Ausländerwohnheime abzureißen, und die alltäglichen Polizeirazzien in Werkstätten mit Schwarzarbeitern. In der Praxis „ausgezahlt“ haben sich die Verschärfungen nicht. Die Einwanderung ist keineswegs zurückgegangen. Die Zahl der Abschiebungen ist in den letzten zwei Jahren sogar gesunken. Und Le Pen ist stärker als je zuvor.
Leidtragende dieser Politik mit der Angst sind die Immigranten in Frankreich, ganz egal, ob sie „illegal“ oder „legal“ im Land sind. Leidtragende ist aber auch die französische Demokratie: Bislang hat noch jede xenophobe Radikalisierung der großen Parteien nur den Extremisten neue Anhänger zugetrieben. Leidtragende sind schließlich die Anhänger der universellen Werte der Republik: Heute sind sie in der unbequemen Lage, die Pasqua-Gesetze als „kleineres Übel“ verteidigen zu müssen. Dorothea Hahn, Paris
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