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Law and Order–Programm für den Welthandel aus den USA

■ Protektionismus im Vormarsch: Die Demokraten wollen mit einem Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses dem eigenen Präsidenten und dem Rest der Welt neue Regeln für die Handelspolitik aufdrücken / Regeln, Festlegungen und Automatismus: Der Präsident soll an die Leine genommen werden

Washington/Berlin (dpa/taz) - Das US–Repräsentantenhaus debattiert seit Dienstag über ein neues, umfassendes Handelsgesetz, mit dem das Handelsdefizit der USA reduziert und die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Unternehmen gestärkt werden soll. Die Vorlage, die im Laufe der Woche verabschiedet werden dürfte, bringt die Handelspartner der USA unter Druck. Ob alle endgültig Gesetz werden, bleibt abzuwarten. Der Senat will einen eigenen Gesetzentwurf verabschieden. Danach wird ein Vermittlungsausschuß aus beiden Vorlagen einen Kompromiß zur Unterschrift durch den Präsidenten erarbeiten. Der Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses trägt die Handschrift der Demokratischen Partei. Die wichtigsten Bestimmungen signalisieren einen Doppeleffekt: Anknüpfen an traditionelle protektionistische Positionen der Demokraten unter dem Druck einheimischer Interessengruppen und Verstärkung des Handlungszwangs für den Präsidenten. Unfaire Handelspraktiken Der Entwurf verschärft die Gesetzesbestimmungen und Maßnahmen gegen unfaire Praktiken des Auslandes. Der Katalog „unfairer“ Praktiken wird ausgeweitet, und die Zuständigkeit der Entscheidung, ob unfaire Praktiken vorliegen, vom Präsidenten auf den Handelsbeauftragten übertragen. Abgesehen von Ausnahmen werden Vergeltungsmaßnahmen zwingend erforderlich. Ein besonderer Abschnitt behandelt Länder, die mit den USA „außerordentlich hohe“ Handelsüberschüsse von mindestens drei Milliarden Dollar erzielen. In diese Rubrik fallen Japan, die Bundesrepublik, Taiwan, Südkorea, Italien, Hongkong und Brasilien. Der Handelsbeauftragte muß festlegen, ob die Überschüsse durch unfaire Praktiken erzielt wurden und die US–Wirtschaft schädigen. Er hat dann sechs Monate Zeit, um Abkommen auszuhandeln, die entweder einen Verzicht auf die unfairen Praktiken bringen oder deren negative Auswirkungen erheblich verringern. Kommt es zu keiner Einigung, muß der Handelsbeauftragte gegen jede einzelne Praxis Strafzölle oder Importbeschränkungen ergreifen. Der Wert der Vergeltung muß Dollar für Dollar dem Schaden entsprechen, der den USA durch die Praktiken entstanden ist. Ausnahmen sind möglich, wenn die Vergeltung die US–Wirtschaft erheblich schädigen würde. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Richard Gephardt will die Vorlage noch so verschärfen, daß die US–Maßnahmen die Abschaffung der unfairen Handelspraktiken des Partners bringen und auf jeden Fall die Überschüsse um jährlich zehn Prozent über vier Jahre verringern. Der Präsident soll das Recht haben, davon abzuweichen, wenn die Maßnahmen die US–Wirtschaft schwer schädigen oder das betroffene Land hoch verschuldet ist und in Zahlungsschwierigkeiten kommen könnte. Dies würde beispielsweise Brasilien verschonen. Als unfaire Praktik sollen künf tig das „export–targeting“ behandelt werden. Darunter wird eine Regierungspolitik verstanden, die gezielt die Exportfähigkeit bestimmter Industrien erhöhen soll. Japan wurde der Vorwurf gemacht, die Hersteller von Halbleitern und Werkzeugmaschinen gezielt für den Wettbewerb im Ausland zu rüsten. Reziprozität Der Entwurf enthält ohne nähere Eingrenzungen die Bestimmung, den gegenseitigen Marktzugang (Reziprozität) zu einem Kriterium zu machen. Wenn US– Firmen in einem Land nicht dieselben Marktchancen haben wie Firmen dieses Landes in den USA, darf der Handelsbeauftragte dies bei der Beurteilung unfairer Prak tiken und Vergeltungsschritte berücksichtigen. Experten befürchten, dies könnte im Extremfall auch auf einzelne Produkte angewendet werden. Wechselkurse Das US–Finanzministerium soll bestimmen, ob ein Land mit hohen Handelsüberschüssen den Wechselkurs seiner Währung künstlich auf einem niedrigen Niveau hält, der nicht seiner wirtschaftlichen Stärke entspricht, um sich Exportvorteile zu verschaffen. Dies könnte junge Industrieländer wie Taiwan, Südkorea und Hongkong treffen, deren Währungen an den Dollarkurs gekoppelt sind und nicht wie die D–Mark und der japanische Yen stark aufgewertet wurden. Das Finanzministerium soll Wechselkursanpassungen mit solchen Ländern aushandeln. Bei Weigerung sollen ausgleichende Strafzölle verhängt werden können. Grundsätzlich verlangt der Entwurf, einen wettbewerbsfähigen Wechselkurs für den Dollar im Verhältnis zu jeder anderen wichtigen Währung ausdrücklich zu einem Ziel zu erklären und nicht als Nebenprodukt der Wirtschaftspolitik zu betrachten. Dazu sollen auch Interventionen eingesetzt werden. Der Präsident soll darüber international verhandeln. Der Finanzminister soll zweimal im Jahr über die Fortschritte zu einer Währungsreform berichten. Um die Schuldenprobleme der Dritten Welt besser lösen zu können, sollen die USA mit anderen Industriestaaten Verhandlungen über eine neue multilaterale Finanzinstitution aufnehmen: das Internationale Amt für Schuldenmanagement (International Debt Management Authority). Diese Behörde soll Kredite, die Entwicklungsländer von privaten Banken erhalten haben, mit einem Abschlag (Discount) kaufen. Den Banken würde ein Verlust entstehen, sie wären aber von dem Risiko befreit, das Kredite an Staaten der Dritten Welt in sich bergen. Die neue Institution soll dann den billigeren Kredit zu geringeren Rückzahlungsbedingungen an den Schuldner zurückgeben. Registrierung ausländischer Investitionen Zugunsten einer besseren Übersicht der US–Behörden soll die Meldepflicht für ausländische Investitionen, Firmenbeteiligungen und Grundstückskäufe verschärft werden. Jeder Ausländer, der mehr als fünf Prozent Kapital an einem US–Unternehmen hält, dessen Grundstückswerte fünf Millionen Dollar (bei Verkauf zehn Millionen) überschreiten, müßte dies melden. Regierungsbehörden würde verboten, Produkte zu kaufen, die in einem Land hergestellt wurden, dessen Regierung US–Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen diskriminiert. Der Präsident soll einmal im Jahr berichten, auf welche Länder das zutrifft und welche trotz Verstößen ausgenommen sind. Auf dem Außenhandelsfeld wird auch ein Gutteil des Gerangels zwischen Opposition und Regierung um innenpolitischen Einfluß ausgetragen. Präsident Reagan hat bereits angekündigt, er lasse sich nicht an die Leine legen. geo

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