: Lauffaul und gehemmt
Trotz des glücklichen 1:0 gegen den VfB Stuttgart ist die Krise des 1. FC Kaiserslautern nicht zu Ende. Schlimmste Vision: Irgendwann wird der ungeliebte 1. FC Saarbrücken die Nr. 1 im Südwesten
vom Betzenberg GÜNTER ROHRBACHER-LIST
„Geht er heute?“, war die Frage, die viele bewegte, als sie den höchsten Berg der Pfalz zum Heimspiel des 1. FCK gegen den VfB Stuttgart erklommen. Mit finsteren Mienen und gehemmten Schrittes waren die Anhänger der Roten Teufel auf alles gefasst. Intensiv wirkte noch die 1:2-Niederlage gegen den VfB aus der vergangenen Saison nach. Und der miese Saisonstart ohne Punkte und ohne Tore. Man rechnete schon mit dem Pfälzer Super-GAU, dem Fehlstart ohne Ende. Und dann hätte wohl der selbstherrliche Otto Rehhagel in seiner Ratlosigkeit, ausgepfiffen von den Fans, bald seinen Hut nehmen müssen. Oder sollen? Oder dürfen? Oder können?
Dass ausgerechnet einem der schwächsten Lauterer, dem gewohnt lauffaulen Mario Basler, schon nach drei Minuten per Freistoßnachschuss das Tor des Abends gelang, zeigte auf, dass die Krise des 1. FC Kaiserslautern noch lange nicht vorbei ist. Doch von Krise war nach den 90 Minuten bei Otto Rehhagel und seinen Parteigängern aus dem Aufsichtsrat keine Rede. Dank Stuttgarter Überheblichkeit und der Abschlussschwäche von Sean Dundee entging der Trainer dem Zorn der Fans. Rehhagel lobte seine Spieler, während Robert Wieschemann wie so oft im Schiedsrichter den Sündenbock ausmachte, der dem 1. FCK ein Tor geklaut habe.
Ein anderer Lauterer, der neben Weltmeister Ottmar Walter auf der Tribüne saß, bewies mehr Sehkraft. Hans-Peter Briegel, als Manager der Lauterer 1997 im offenen Streit mit Rehhagel vom 1. FCK geschieden, benannte die Defizite im Spiel der Pfälzer: Die Abwehr nicht fehlerfrei, kaum Gefahr von den Außenbahnen, die Angreifer meist farblos. Zwar behauptete auch Axel Roos, der seit 16 Jahren dabei ist und Erfahrungen mit dem Kampf um die Existenz in der Bundesliga hat, dass der Sieg im Hinblick auf das morgige Spiel in Unterhaching „sehr wichtig“ war. Doch nach dem übertrieben teuren und eher nutzlosen Aufwand für das fünftägige Straflager in einem Bad Kreuznacher Nobelhotel hatten viele auf dem Betzenberg mehr Qualität von der Mannschaft erwartet.
Doch weit gefehlt: Die Bälle werden weiterhin hoch nach vorne geschlagen, ohne dass ein Adressat auszumachen gewesen wäre. Youri Djorkaeff hatte nur gelegentlich geniale Momente im ansonsten mäßig besetzten Mittelfeld und dem lahmenden Angriff. Vratislav Lokvenc wirkte bei allem Fleiß viel zu hölzern und steif, und Slobodan Komljenovic und Jeff Strasser, immerhin Nationalspieler ihrer Länder, unterliefen reihenweise schwere Fehler gegen ihre wendigeren Gegenspieler.
Ein Blick auf die Aufstellung der Roten Teufel genügte, um einen Grund für den seit dem Titelgewinn 1998 schleichenden Niedergang herauszufinden. Mit Verteidiger Harry Koch stand gerade noch ein Spieler in der Anfangsformation – Roos, Reich und Hristov saßen auf der Bank, der Rest war entweder verletzt oder er ist verstreut in alle Himmelsrichtungen.
Stattdessen hat sich Otto Rehhagel eine illustre Europaauswahl aus – sieht man von Djorkaeff ab – mittelmäßigen und deshalb erschwinglichen Kickern zusammengekauft, die aber zusammen genommen kein Spitzenteam bilden. Auch Noteinkauf Tomasz Klos vom AJ Auxerre gehört in diese Kategorie.
So wird es nichts werden mit dem im Stadionmagazin erklärten „Lebensziel“ des Tschechen Lokvenc, der „die Champions League gewinnen“ will. Und Hans-Peter Briegel dementierte, er stünde bei einer eventuellen Ablösung Rehhagels als Nachfolger bereit. „Ich würde beim 1. FCK nie Trainer werden wollen, denn irgendwann wird man in Frage gestellt, und dann müsste ich ja auswandern“, stellte der erfolgreiche Ex-Trainer von Besiktas Istanbul klar.
Ein anderes Lauterer Denkmal macht derweil 60 Kilometer weiter westlich von sich reden. Die „Nummer 1 im Südwesten“ wolle er mit dem 1. FC Saarbrücken werden, bekundete Klaus Toppmöller, der mit seinem Team eindrucksvoll in die Saison startete. Ein Blick auf die Tabellen gibt schon mal den Ausblick frei auf das für die Pfälzer Undenkbare. Der Platztausch mit den ungeliebten Saarländern ist keine Utopie mehr.
1. FC Kaiserslautern: Georg Koch - Yakin - Harry Koch - Basler, Klos, Komljenovic, Grammozis, Strasser (74. Roos) - Klose (60. Hristow), Lokvenc - Djorkaeff (90. Pettersson) VfB Stuttgart: Hildebrand - Schneider (71. Hleb), Soldo, Endreß, Carnell - Pinto (78. Seitz), Thiam, Balakow (57. Ganea), Lisztes, Gerber - Dundee Zuschauer: 37.594; Tor: 1:0 Basler (3.)
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