Lauf entlang der ehemaligen Mauer: Ultraweit laufen und erinnern

Beim ersten Berliner Mauerlauf, den "100MeilenBerlin", kamen die letzten Teilnehmer 30 Stunden nach dem Startschuss ins Ziel - die Sieger schon nach 16 Stunden und 22 Minuten.

Nach 30 Stunden ist Schluss: Die letzten zwölf Läufer kommen innerhalb der letzten Stunde am Sonntagmittag nach einer Strecke von 161,2 Kilometern ins Ziel. Die ersten "100MeilenBerlin" bringen bei den Männern mit Michael Vanicek und Jan Prochaska einen Doppelsieg - die Teamkollegen vom LG Nord Berlin liefen gemeinsam nach 16:22 Stunden ein. Bei den Frauen kann sich Marika Heinlein, deutsche Vizemeisterin im 24-Stunden-Lauf, als insgesamt Fünfte im Ziel in sehr guten 17:49 Stunden durchsetzen.

Nur 14 der gemeldeten 92 Starter mussten bei dem Ultralauf aufgeben. Als Ultralauf wird jede Strecke bezeichnet, die über die Marathondistanz von 42,195 Kilometern hinausgeht. Die Strecke führte die Teilnehmer den Verlauf der ehemaligen Mauer entlang. Der Lauf wurde anlässlich des 50. Jahrestags des Mauerbaus ins Leben gerufen, um an die Todesopfer am Mauerstreifen zu erinnern.

Am Sportplatz in der Lobeckstraße gehen die Teilnehmer am Samstag um 6 Uhr morgens an den Start. Veranstalter Alexander von Uleniecki stellt alle Läufer einzeln vor, während die ersten fünf Runden im Stadion absolviert werden. Nach und nach verlassen die Starter aus zwölf Nationen das Rund gen Mauerweg. Ein großer organisatorischer Aufwand liegt hinter den Veranstaltern: Die Strecke musste im Abstand von wenigen hundert Metern mit Pfeilen markiert, die medizinische Versorgung und die Verpflegung der Läufer sichergestellt sein. Das Deutsche Rote Kreuz begleitet die Läufer mit Fahrradstaffeln.

Christopher Mak aus Hongkong erreicht eineinhalb Stunden später als Letzter den ersten Verpflegungsstand an der Sonnenallee. Mak reckt dabei den Daumen hoch: alles okay. Von hier aus liegen noch 150 Kilometer vor den Läufern.

13.30 Uhr, S-Bahnhof Griebnitzsee: Die Athleten laufen Verpflegungspunkt 12 an, 65 Kilometer haben sie schon in den Beinen. Roland Beyer, Startnummer 32, kneift das Gesicht zusammen. "Ich muss verdrängen, dass es noch 100 Kilometer sind." Es ist heiß in der Mittagssonne. Wasser mit Kochsalz und Bananen werden gereicht.

Vorbild des Laufs ist der 1921 ins Leben gerufenen Comrades-Marathon zwischen Durban und Pietermaritzburg in Südafrika, der an die im Ersten Weltkrieg getöteten südafrikanischen Soldaten erinnert. Die Bundesstiftung zur Wiederaufarbeitung der SED-Diktatur erhofft sich von den "100MeilenBerlin" dauerhaft eine jährlich oder zweijährlich stattfindende Veranstaltung, die auch jüngere Generationen an die Geschichte der Berliner Mauer heranführt.

15 Uhr, Nähe Krampnitzsee: Hajo Palm ist noch einigermaßen locker bei Kilometer 74. Palm hat Geburtstag, er wird 62. Mit der Teilnahme beschenkt er sich selbst. "Jetzt hab ich drei Hundertmeiler", sagt er, "und darf mich beim Badwater-Lauf bewerben." Das ist Ultramarathon im kalifornischen Death Valley. 135 Meilen werden dort bei 45 Grad Hitze gelaufen.

Während eines Laufs über 100 Meilen trinken die Starter etwa 20 Liter Wasser. Bei den Verpflegungsstellen werden längere Pausen eingelegt.

22.22 Uhr, Lobeckstraße: Michael Vanicek und Jan Prochaska laufen als Erste wieder im Kreuzberger Stadion ein. Knapp eineinhalb Stunden später folgt ihnen Marika Heinlein als erste Frau.

Nach Einbruch der Dunkelheit werden die Stirnleuchten ausgepackt. An den Verpflegungspunkten haben die Läufer ihr Equipment, Wechselkleidung und eigene Nahrungsmittel platziert. Die Nacht hindurch erreichen sie im Viertelstundentakt das Ziel. Es wird wieder hell, Stunden später, 12 Uhr am Mittag, sind Veranstalter und Sportler gleichermaßen platt.

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