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Lars Penning Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet

Sanft ruhen die Verblichenen in den Filmen Alfred Hitchcocks nicht. Da macht auch der Titelheld von „The Trouble with Harry“ keine Ausnahme. Weil sich gleich mehrere Bewohner einer kleinen Ortschaft in Vermont für sein Ableben verantwortlich fühlen, wird er je nach Interessenlage aller Beteiligten mehrfach in einem idyllischen Waldstück ein- und dann wieder ausgegraben. Obwohl in Hitchcocks Gesamtwerk eher eine Ausnahme, stand die Komödie, deren Witz darin liegt, dass mit Harrys Leiche wie mit einem abgelegten Kleidungsstück umgegangen wird, dem Regisseur doch stets nah am Herzen. Denn sein Humorverständnis war ausgesprochen britisch: „Express the violent in understatement“ (OF, 22. 12., 19 Uhr, 26.12., 19.30 Uhr, Arsenal 2).

Einer der besten Filme des abgelaufenen Jahres war der Oscar-Gewinner „Moonlight“: er ist ein ebenso präzises wie empathisches Porträt eines homosexuellen Jungen, der in einer äußerst schwierigen Umgebung versucht, seinen eigenen Weg zu finden. In drei zeitlich in sich abgeschlossenen Kapiteln (Kindheit, Jugend, Erwachsenenleben) erzählt Barry Jenkins´ Film von den prägenden Erlebnissen des Jungen Chiron, der in den 1980er Jahren mit einer drogensüchtigen Mutter in einem Slum von Miami aufwächst. Chiron fühlt sich in allen Lebensbereichen beständig fremd: in seiner Familie, mit den Gleichaltrigen, mit seiner Sexualität. Und als er gewalttätig wird, gerät er vor allem auch emotional auf die Verliererstraße. Dabei entfaltet sich jenseits wohlfeiler Sozialkritik ein vielschichtiges Drama mit beeindruckender Komplexität in den Beziehungen der Figuren zueinander (OmU, 21. 12. 20 Uhr, Babylon Mitte).

Der Begriff „Fantasy of Goodwill“ bezeichnet die Filme von Frank Capra, der in seinen Werken ein stark idealisiertes, von Präsident Roosevelts „New Deal“ inspiriertes Amerika erschuf, in dem stets der Gemeinsinn der kleinen Leute über die Gier des Einzelnen triumphiert. Ein Musterbeispiel ist Capras Weihnachtsklassiker „Ist das Leben nicht schön?“ (1947), in dem sich George Bailey (James Stewart), der Vorsitzende der örtlichen Bausparkasse, ausgerechnet am Weihnachtsabend das Leben nehmen will. Doch sein Schutzengel führt George vor, wie die Welt aussehen würde, hätte es ihn nie gegeben: Statt Bausparkasse und Eigenheimsiedlung hat die Kleinstadt plötzlich einen Hauch von Las Vegas. George ist kuriert und kehrt zu seinen netten Nachbarn zurück. Ein bittersüßes Vergnügen, unverhohlen sentimental und sehr amerikanisch (24. 12., 14.30 Uhr, Eva Lichtspiele).

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