INTERVIEW: Langsam nach unten rauchen
■ Der Schweizer Lebensmittelchemiker Lazare Herzfeld analysiert Zigaretten nicht nur nach ihrem Kohlenmonoxyd- und Teerbestandteilen/ In dem nach ihm benannten Herzfeld-Index klassifiziert er zum ersten Mal für den deutschen Markt die zwanzig schädlichsten Zigaretten
Seit fast 20 Jahren forscht Lazare Herzfeld in seinem Baseler Labor auch auf dem Gebiet der Tabakanalytik, darunter neben Industrieaufträgen immer wieder für Verbraucherorganisationen. Seit 1973 gehört der Herzfeld-Index zum Standard der Konsumenteninformation. Als Auftragsarbeit erstellte er für das ARD Wirtschaftsmagazin Plusminus Anfang dieses Jahres erstmals eine vergleichende Untersuchung des deutschen Marktes. Ergebnis: In der Zigarette sind mehr Schadstoffe als allgemein bekannt. Neben Teer und Nikotin sind das vor allem Kohlenmonoxyd, Stickoxyde, Cyanwasserstoffsäure, Acrolein, Acetaldehyd, Toloul, Benzol und Isopren. Während einige EG-Abgeordnete über ein generelles Werbeverbot für Zigaretten nachdenken , werden die Raucher den 31. Mai als Welt-Nichtrauchertag fröhlich paffend ignorieren.
taz: Worin besteht die Schädlichkeit der aufgeführten Stoffe?
Lazare Herzfeld: Nehmen Sie zum Beispiel Kohlenmonoxyd. Von ihm ist ja bekannt, daß es giftig ist. Es verbindet sich im Blut mit Hämoglobin und verhindert die Erneuerung des notwendigen Sauerstoffgehalts. Die Aldehyde lähmen die Flimmerhaare in der Lunge und dadurch ist die Reinigung der Lunge nicht vollständig gewährleistet.
Kann man sagen, daß die von Ihnen im Herzfeld-Index aufgeführten Schadstoffe nur eine zusätzliche oder eine stärkere Belastung als Teer und Nikotin darstellen?
Im Grunde geht es um eine Verbraucherorientierung. Der Verbraucher wird mit den Zahlen Teer und Nikotin nicht richtig informiert. Es gibt beispielsweise Zigaretten, die den gleichen Anteil von Teer und Nikotin haben. Aber die einen haben wesentlich weniger Kohlenmonoxyd und Stickoxyd als die anderen. Damit ist die Teer- und Nikotinangabe allein nicht ausreichend.
Nun sind das alles Faktoren, die den Herstellern nicht gefallen werden. Wäre dem Raucher denn geholfen, wenn die Steuerbanderole mit noch mehr Zusatzinformationen breiter würde?
Ich glaube nicht, daß es sinnvoll wäre, dem Raucher mit komplizierten Namen das Leben schwer zu machen. Aber wenn er bewußt eine Marke auswählt und sich bewußt ist, damit mehr Schadstoffe zu inhalieren, kann er sich an der Indexzahl sehr einfach orientieren. Bei den Herstellern hoffen wir, daß sie durch unsere Publikationen angeregt werden, ihre Produkte zu verbessern.
Wie reagiert die Industrie auf Ihren Index?
Die reagieren eigentlich seit Jahren nicht mehr. Je mehr sie das früher taten, desto mehr Publizität erhielt die Angelegenheit. Und deshalb schweigen sie lieber.
Was sagen die Indexzahlen dem Verbraucher?
Das einfachste ist, wenn sich der Raucher merkt: Je kleiner die Indexzahl, desto kleiner der Schaden. Die Differenzen erscheinen auf den ersten Blick vielleicht nicht so groß. Aber ein Raucher, der täglich eine Packung Zigaretten verbraucht, sollte eine Marke wählen, die unter der Indexzahl liegt, die er gerade bevorzugt.
Aber Raucher, die starke Zigaretten lieben, bemängeln an einer leichten den faden Geschmack. Gibt es eigentlich eine Möglichkeit, den sogenannten starken Geschmack der Zigarette irgendwie zu ersetzen? Oder läßt sich das nur mit erhöhten Schadstoffen erreichen?
Bis heute ist es leider so, daß ich diese Frage bejahen muß. Allerdings gibt es tatsächlich Bemühungen in der Industrie, auch Leichtzigaretten einen gewissen Geschmack zu verleihen. Und da sind auch einige Fortschritte gemacht worden. Es geht darum, daß der Raucher langsam, nicht von einen Tag auf den anderen, nach unten raucht.
Welchen Marktanteil haben die von Ihnen untersuchten Zigarettenmarken?
Die untersuchten zwanzig Marken decken ungefähr siebzig Prozent des Marktes ab.
Interview:
Thomas Schulze
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