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Archiv-Artikel

Langfristig hilft nur der Schuldenerlass

Politik und NGOs fordern wirksame Finanzhilfen für die betroffenen Staaten. Das hieße Schuldenerlass

Insgesamt stehen die von der Flut betroffenen Staaten mit 300 MilliardenUS-Dollar in der Kreide

BERLIN taz ■ Nach der zerstörerischen Flutwelle im Indischen Ozean werden Forderungen laut, den Wiederaufbau der betroffenen Regionen auch durch Schuldenmoratorien oder -erlasse zu unterstützen. In Relation zu den von den geschädigten Ländern zu zahlenden Schuldendiensten erscheinen die 20 Millionen Euro Soforthilfe der Bundesregierung recht gering: Allein Indonesien zahlt jeden Monat ein Zigfaches für seine Schulden, im Februar sind 250 Millionen Dollar fällig. Heute berät das rot-grüne Kabinett in einer Sondersitzung über die Aufstockung der Fluthilfe.

Die Auslandsschulden der von der Flut betroffen Staaten sind immens: Mit knapp 300 Milliarden US-Dollar stehen sie in der Kreide. Der größte Teil entfällt dabei mit 147 Milliarden US-Dollar auf Indonesien. Indien trägt eine Schuldenlast von rund 83 Milliarden Dollar, Thailand von gut 58 Milliarden, Sri Lanka von 7,7 Milliarden, Somalia von 2,5 Milliarden und die Malediven von gut 200 Millionen Dollar. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat derweil eine deutsche Initiative für den Pariser Club am 12. Januar angekündigt, die auf ein Schuldenmoratorium für Indonesien und Somalia abzielt.

Doch auch andere Staaten bewegen sich. Wie die britische BBC gestern unter Berufung auf Finanzminister Gordon Brown berichtete, strebt London ein unmittelbares Moratorium auf die Schuldenrückzahlung der betroffenen Länder an. Danach solle auch die Möglichkeit eines Schuldenerlasses in Betracht gezogen werden. Laut Brown würde das die am meisten betroffenen Länder um zunächst drei Milliarden Dollar entlasten.

Ob Moratorium oder Schuldenerlass – für Lydia Krüger von der Entwicklungsorganisation Weed ist entscheidend, dass dabei „unbürokratisch und schnell“ vorgegangen wird und „politische Interessen der Gläubigerstaaten“ außen vor bleiben. Die seien bei den bisherigen Bemühungen oft ein Hindernis gewesen.

Jürgen Kaiser vom Entwicklungsbündnis Erlassjahr sieht ein Moratorium als ersten Schritt, fordert aber mehr. Exemplarisch verweist er auf die Finanzsituation Indonesiens: Rund 30 Prozent seiner jährlichen Exporteinnahmen gibt das Land für den Schuldendienst an ausländische Gläubiger aus. Die durch die Katastrophe eingeschränkte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die damit einhergehenden geringeren Deviseneinnahmen könnten langfristig nur durch Schuldenerlass stabilisiert werden. Ähnlich prekär sei die Lage in Somalia, Birma und Thailand. Ein weiteres Problem sei, dass die Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigerstaaten des Pariser Clubs nur ein Teil der Gesamtschulden sind – bei Indonesien etwa die Hälfte. Ein Großteil der Schulden entfalle auf internationale Finanzinstitutionen, etwa IWF und Weltbank. „Diese Schulden würden durch das von Schröder vorgeschlagene Moratorium nicht berührt“, sagt Kaiser. Er fordert deshalb, dass das deutsche Engagement auch auf einen Schuldenerlass der Institutionen Weltbank, IWF und Afrikanische Entwicklungsbank abzielt.

„Eine Stundung nutzt nichts“, sagt hingegen Philipp Hersel vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac. Diese würde die längerfristige Entwicklung behindern, da Investoren durch die Schulden abgeschreckt würden, weil sie Behinderungen beim Aufbau der Infrastruktur befürchten. Attac setze auf die „grundsätzliche Prüfung der Legitimität der Schulden, die weder nach politischen noch ethischen Ansprüchen gerechtfertigt sind.“

JOCHEN SETZER