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Langeweile

■ Fanny Müller:

Viele Leute haben ja vergessen, wie unendlich lang und langweilig die Kinderzeit gewesen ist. Besonders, wenn man sie auf dem Lande verbracht hat und dies schon ein paar Jahre her ist. Kein Fernsehen und die Mappenzeitung nur alle vierzehn Tage neu. Meine Schwester und ich haben uns wirklich furchtbar geödet. Alle Vierteljahr vielleicht eine Beerdigung. Da konnte man wenigstens von der Küche aus den Zug beobachten und zugucken, wie Opa mitwalzte und seitlich aus seinem Chapeau claque ein Strumpf herausbaumelte. Er bewahrte seine Strümpfe darin auf und hatte beim Aufsetzen einen übersehen. Das gab aber für höchstens zwei Wochen Gesprächsstoff. Danach lagen wir wieder kraftlos auf dem Sofa und warteten, daß die Zeit mal einen Zahn zulegte, damit wir endlich erwachsen sein würden, um dann die sensationellsten Unternehmungen starten zu können.

Kürzlich fand ich in einem Buch von Nancy Mitfort den Dialog zweier Schwestern, der in etwa wiedergibt, was sich bei uns abspielte:

„Wie spät ist es?“

„Rate.“

„Viertel vor sechs?“

„Viel besser.“

„Sechs?“

„So gut nun auch wieder nicht. Fünf vor sechs.“

„Oh Gott.“

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