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Lange Nacht der WissenschaftenErklären im 30-Minuten-Takt

Bei der Langen Nacht der Wissenschaften streifen 30.000 Besucher durch Labore der Stadt. Zu sehen sind Spielereien, aber auch Entwicklungen, die irgendwann Alltag sein könnten.

Voll laser, wie das abgeht: Die lange Nacht der Wissenschaften. Bild: DAPD

Irgendetwas stimmt noch nicht mit dem Ball. Viel zu leicht, fast schwerelos fliegt er über den Bildschirm, segelt von einem Rand zum anderen und will sich partout nicht in den Basketballkorb befördern lassen. "Ich habe noch nicht richtig rausbekommen, wie ich ihn schneller bewege", sagt Katharina Ebers.

Seit einer Viertelstunde steht die junge Frau vor dem Bildschirm im 15. Stock der Technischen Universität (TU) am Ernst-Reuter-Platz und rudert wild mit den Armen. Über eine Bewegungserkennung überträgt sich das Rudern auf den Bildschirm. Plötzlich hat sie den Dreh raus und bugsiert den Ball in den Korb, auf dem Bildschirm erscheint Jubel: "Yeah".

Wie Ebers sind Samstagnacht über 30.000 Menschen in Unis, Hochschulen und Forschungseinrichtungen unterwegs, in der elften Langen Nacht der Wissenschaften. Ebers ist bis ins Detail vorbereitet: Einen Plan mit allen Experimenten, Vorträgen und Ausstellungen, die sie besuchen will, hat sie dabei - bis zum Schluss nachts um eins will sie unterwegs sein. "Es macht richtig Spaß, ich wollte gar nicht aufhören", sagt sie über das virtuelle Basketballspiel. Doch der Zeitplan ruft, es geht weiter.

Im Raum nebenan erklären die Informatiker André Schulz und Dirk Roscher die Wohnung der Zukunft. Eine Küchenzeile ist hier aufgebaut, mit Herd, Wasserkocher, Brotbackautomat. Alles sieht aus wie in einem Möbelhaus, wäre da nicht der Bildschirm an einem der Schränke. "Wir stellen das vernetze Wohnen der Zukunft dar", sagt Schulz und fängt an zu erklären: Eine Berührung des Bildschirms und er sieht, welche Geräte in der Wohnung laufen und wie viel Energie sie verbrauchen. Zwei weitere Berührungen und das Licht schaltet sich aus, der Energieverbrauch geht runter, noch eine Berührung und die Dunstabzugshabe beginnt zu surren.

Die meisten Besucher, vor allem junge Paare, wollen alles ganz genau erklärt haben. Bis hin zu dem virtuellen Assistenten, der Rezepte für die gewünschte Personenzahl ausrechnet, den Kaloriengehalt gleich mit. Einen Raum weiter könnte dann der Fitnessassistent anzeigen, wie lange der Nutzer dafür auf dem Ergometer strampeln muss. "Es ist kein System, das die großen Probleme der Menschheit löst, aber es ist eine logische Konsequenz daraus, dass die Leute immer mehr Geräte zu Hause haben", sagt Roscher.

Es sind immer wieder die gleichen Fragen, die er beantworten muss: Was kostet das, kann man so etwas schon kaufen, könnte man auch von unterwegs das Licht ausschalten? Nein, erklärt Roscher dann, auf dem Markt gebe es bislang nur ein älteres System, das koste 250 Euro pro Steckdose und die Bedienung von unterwegs sei wohl keine so gute Idee. Was wäre schließlich, wenn ein Virus auf dem Computer dazu führt, dass sich zu Hause der Ofen anschaltet, während man im Urlaub weilt?

Einige hundert Meter weiter östlich, auf der anderen Seite des Ernst-Reuter-Platzes, sitzen die Physiker. Wer über den Hof durch eine alte Stahltür geht, die Treppe hinunter in den Keller zu Raum 062 findet und die Tür unter der Aufschrift "Laser" und den schwarzen Vorhang der Lichtschleuse öffnet, landet im Reich von Moritz Grehn. Dunkel ist es hier, nur zwei Schreibtischlampen und einige Computerbildschirme spenden Licht. Kabelberge hängen an den Wänden, aus einer Vitrine scheinen grüne und rote Lichter des Lasers.

Der Doktorand erklärt, wie man mit Laser ganz kleine Schrift in Materialien graviert. "Wir können etwas auf einen Stecknadelkopf oder auf die Stecknadel selbst schreiben", sagt Grehn. Die Besucher beugen sich über Glasscheiben und Münzen. Mit bloßem Auge sind nur dunkle Stellen zu erkennen, erst mit der Lupe erscheinen ein "T" und ein "U" und ein noch winzigeres "berlin". Nach einer halben Stunde wartet ein neuer Schwung Menschen vor der Tür, manchmal ist es so voll, dass nicht alle in den Raum passen.

Nein, alles verstanden habe er nicht, sagt ein Besucher. Er wolle nur sehen, woran überhaupt geforscht werde. "Man muss sich schon selbst begeistern", sagt Grehn, um das Experiment immer und immer wieder zu erklären. Da haben es die Mitarbeiter der vernetzten Wohnung besser: Nach der Hälfte des Abends wartet auf sie eine Ablöse.

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