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Landwirtschaft in UgandaGift oder Knast

Biobauer Bosco Acope war erfolgreicher Landwirt - bis seine Hütte mit dem Insektizid DDT besprüht wurde. Jetzt kann er seine Baumwolle nicht mehr verkaufen.

Einst ein erfolgreicher Biobauer: Bosco Acope. Bild: Marc Engelhardt

LIRA taz | Bosco Acope kann sich noch heute genau an den Morgen vor drei Jahren erinnern, als die Männer mit Mundschutz und Gasflaschen auf dem Rücken auf seinen Hof marschiert kamen. Es war früh, die grelle Äquatorsonne gerade erst aufgegangen. An diesem Tag änderte sich alles für den Farmer, der mit den Früchten seiner Arbeit bis dahin seine Großfamilie problemlos ernähren konnte. Die Sonne stand noch nicht im Zenit, da war Boscos berufliche Existenz zerstört.

"Man hat mir vorher nichts gesagt", klagt der 48-jährige Ugander, der auf einem blauen Plastikstuhl im Schatten eines jungen Mangobaums sitzt. "Die Leute kamen einfach, besprühten mit ihren Maschinen die Wände meiner Hütte und dann zogen sie weiter." Was die jungen Männer sprühten, war ein Insektizid, das in Europa längst verboten ist: DDT. In Afrika wird es bis heute zur Bekämpfung von Malaria eingesetzt. "Ich habe versucht, sie aufzuhalten", sagt Acope. "Aber sie haben mir gedroht, wenn ich mich dem Programm der Regierung widersetze, dann muss ich ins Gefängnis."

Bosco Acope ist ein einfacher Mann. Vor und nach dem Volksschulunterricht musste er arbeiten, um die Familie der Eltern über Wasser zu halten. Als er 14 Jahre alt war, fing er an, auf der Farm zu arbeiten, die im Apac-Distrikt im Norden Ugandas liegt und die er nach dem Tod seiner Eltern übernahm. Er heiratete und hat heute elf Kinder.

DDT

Das Gift: DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) wurde in den fünfziger und sechziger Jahren großflächig als Insektizid in der Landwirtschaft eingesetzt. Umweltschützer kritisierten schon früh die massiven Auswirkungen auf die Umwelt. Auch wurden bald Resistenzen beobachtet.

Das Verbot: Es dauerte bis 2004, bis DDT im Rahmen der Stockholm-Konvention verboten wurde. Sie verbietet Herstellung, Verkauf und Anwendung von zwölf besonders gefährlichen und langlebigen Giftstoffen (das "dreckige Dutzend", neben DDT u. a. auch polychlorierte Biphenyle und Dioxin). Die Konvention trat am 17. Mai 2004 in Kraft.

Die Konferenz: Bei der 5. Vertragsstaatenkonferenz, die vom 21. April an in Genf stattfindet, soll eine Allianz aus Politik, Industrie und Verbänden über Alternativen beraten.

DDT machte die Ernte unverkäuflich

Doch trotz der bescheidenen Anfänge machte Acope sein Glück als Biobauer. "Ich habe organische Baumwolle und Biosesam angebaut und verkauft, dadurch habe ich meinen Gewinn um mindestens die Hälfte gesteigert." So viel Geld machte Acope, dass er seine Farm stetig vergrößern und alle seine Kinder zur Schule schicken konnte. "Jetzt musste ich drei meiner Kinder von der Schule nehmen, weil ich mir die Gebühren nicht mehr leisten kann."

Denn mit dem DDT wurde Acopes Ernte über Nacht unverkäuflich. "Wir mussten befürchten, dass das DDT Spuren hinterlässt", begründet das Alex Fokkens, dessen Firma Shares die Ernte ugandischer Biobauern nach Europa exportiert. "Wenn das passiert wäre, hätten wir dichtmachen können." Zwar wurde das DDT nur in den Häusern gesprüht, aber dort, sagt Fokkens, lagern die Bauern die Vorräte, bevor sie sie verkaufen. Er zog die Notbremse. Nach vierzehn Jahren in der Region stellte Shares die Geschäftsbeziehungen zu 16.000 Farmern ein. Bis heute versteht Fokkens nicht, warum die Regierung trotz der Warnungen von ihm und anderen Exporteuren darauf bestand, DDT einzusetzen. "Es ist gut, dass die Regierung etwas gegen die Malaria unternimmt, aber sie hätten doch andere Methoden nutzen können."

Biologische Landwirtschaft ist in Uganda längst keine Nische mehr. Kein anderer afrikanischer Staat bewirtschaftet mehr Land nach ökologischen Kriterien. 2008 wurden fast 300.000 Hektar biologisch bewirtschaftet, über die Hälfte mehr als noch 2004, so eine Studie des UN-Umweltprogramms UNEP. Mehr als 200.000 Biobauern erwirtschafteten 2008 Exporterlöse von 15,8 Millionen Euro - gegenüber 2004 ein Plus von 300 Prozent. Dann begann die ugandische Regierung mit dem Einsatz von DDT - ausgerechnet in den beiden Distrikten Oyam und Apac, wo biologische Landwirtschaft besonders weit verbreitet war. Für viele Biobauern eine Provokation - denn die Regierung selbst propagiert konventionelle Landwirtschaft.

Trügerische Sicherheit

Befürworter wie Richard Ocan Onen verteidigen den DDT-Einsatz. Ocan ist der Koordinator der Sprüheinsätze, die eine private Firma im Auftrag des ugandischen Gesundheitsministeriums und der US-Regierung unternimmt. Er verweist darauf, dass nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich etwa jeder dritte Ugander an Malaria erkrankt. Vor allem Kinder und schwangere Frauen sterben daran, 6.296 Opfer zählte die WHO 2009. Malaria, sagt Ocan, lasse sich nur mit Hilfe der Chemie besiegen. "Das Sprühen in den Häusern ist wie ein großes Netz - auch wenn du kein Moskitonetz über deinem Bett hast, kannst du sicher in deinem Haus schlafen und dich dort bewegen."

DDT und andere Insektizide, die in den Häusern gesprüht werden, funktionieren alle nach demselben System: Moskitos, die sich auf die Wände setzen, werden vergiftet und sterben, bevor sie die Malaria übertragen können. "Wir gehen in die Häuser, sprühen und der Schutz hält lange an, im Fall von DDT neun Monate", erläutert Ocan.

Doch die Langlebigkeit ist zugleich der größte Nachteil von DDT. Noch nach Jahrzehnten lässt sich der hochgiftige Stoff in der Umwelt nachweisen, der einer neuen Studie der WHO zufolge in dem Verdacht steht, Krebs zu erregen und das Erbgut zu schädigen. Als Insektizid wurde DDT nicht zuletzt deshalb verboten, weil es nicht nur Schädlinge, sondern praktisch alle Insekten sowie Fische, Vögel und kleine Säugetiere schädigt. Die zuständige UN-Stockholm-Konvention hat DDT als "persistenten organischen Schadstoff" verboten - einzige Ausnahme: das Sprühen in Häusern gegen die Malaria. Auch manche WHO-Experten behaupten, dass DDT dort nicht ersetzbar sei. Das Hauptargument jedoch gibt der Ugander Ocan in einem Satz wieder: "DDT ist billig."

Bis zu dreißig Mal so teuer seien die Alternativen, poltert Myers Lugemwa, der in Ugandas Gesundheitsministerium für die Malaria-Bekämpfung zuständig ist. "Wir müssen sehen, was uns hilft, und nicht der Demagogie der DDT-Gegner Glauben schenken." Durch das Sprühen von DDT sei die Zahl der Malariaerkrankungen in Oyam und Apac um 40 bis 50 Prozent gesunken, behauptet Lugemwa. Und auch die Proteste der Biobauern lässt er nicht gelten. "Der Ertrag von konventionell bewirtschafteten Farmen ist anderthalb Mal höher als auf biologischen Farmen. Wenn ich Bauer wäre, würde ich meine Pflanzen spritzen und mehr Geld verdienen als vorher." Das verkennt nicht nur, dass den meisten ugandischen Bauern das Geld für Pestizide und behandeltes Saatgut fehlt. Es scheint zudem die Befürchtungen der Biobauern zu bestätigen, dass sie nicht zufällig für die Sprühaktion ausgesucht wurden.

Wirksamkeit umstritten

Die Wirksamkeit von DDT ist umstritten, bestenfalls. Der Arzt Kale Dixon etwa, der seit 2007 als leitender Arzt in einer Gesundheitsstation im Apac-Distrikt arbeitet, schüttelt den Kopf. Mehr als 200 Patienten monatlich behandelt er in der Trockenzeit wegen Malaria, in der Regenzeit sind es manchmal mehr als 900. Die Zahlen der Erkrankten, die er jeden Monat auf ein Balkendiagramm einträgt, das an der Wand hängt, hätten sich nach dem DDT-Einsatz nicht verändert. "Wir haben keinen Effekt beobachtet, die Zahl der Malaria-Erkrankungen blieb gleich hoch."

Der Mediziner macht dafür Resistenzen verantwortlich. Die meisten Moskitos seien gegen DDT immun. Diese Resistenzen bestätigt auch Myers Lugemwa aus dem Gesundheitsministerium und nennt sie als einzigen Grund, warum DDT bis auf Weiteres in Uganda nicht versprüht wird.

Ein weiterer Grund dürfte aber auch die Klage gegen die Regierung sein, die Biodachverbände im Herbst 2008 eingereicht haben. Ein Gericht erließ zunächst ein vorläufiges DDT-Verbot, bis die Klage dann aus formalen Gründen doch abgewiesen wurde. Die Verhandlung in einer anderen, noch anhängigen Verfassungsklage aber wird seit mehr als zwei Jahren immer wieder verschoben. Sie hat aber keine aufschiebende Wirkung. Lugemwa bereitet deshalb schon neue DDT-Einsätze vor. "Wenn die Moskitos keine Resistenzen mehr zeigen, setzen wir DDT sofort wieder ein." Dann könnten auch die letzten Höfe besprüht werden, aus denen Shares heute noch Bioprodukte nach Europa exportiert. Nicht nur Alex Fokkens, auch die 11.000 Farmer würden ihren Job verlieren.

Es gibt Alternativen

Dabei gibt es Alternativen. Michael Brander von der Schweizer Stiftung Biovision, die Biobauern in mehreren afrikanischen Ländern unterstützt, wirbt dafür, bei den Brutstätten der Mücken anzusetzen: Pfützen und stehende Gewässer könnten entweder trockengelegt oder mit Bakterien behandelt werden, die die Moskitos schon im Larvenstadium töten. "Grundsätzlich geht es darum, ob es gleich wirksame Alternativen zu DDT gibt, und wir sind der Meinung, die gibt es." Im Nachbarland Kenia werden bereits biologische Sprühstoffe erprobt, die aus Pilzen gewonnen werden. Ob solche Alternativen von den zumeist schulmedizinisch geprägten WHO-Experten akzeptiert werden, ist offen.

Während des Gipfels der Stockholm-Konvention, der vom 25. April an in Genf stattfindet, wird erstmals auch eine Globale Allianz zusammentreten, die über Alternativen zu DDT beraten soll. Doch ein schnelles DDT-Verbot, so glauben die Organisatoren des Gipfels, ist nicht zu erwarten. Vor allem die USA, die selbst die Stockholm-Konvention nicht ratifiziert haben, fördern den DDT-Einsatz im Rahmen einer Malaria-Initiative von Präsident Obama mit Millionenbeträgen - auch in Uganda

So bleibt auch ungewiss, ob Bosco Acope jemals wieder Bioprodukte verkaufen kann. Selbst wenn bei ihm kein DDT mehr gesprüht würde, müsste Acope noch zwölf Jahre warten, bis die Konzentration ausreichend gesunken ist. Vorläufig baut er deshalb Mais und Sojabohnen für den lokalen Verkauf an, die bestenfalls zwei Drittel des Gewinns bringen. Die Moskitos seien nach wie vor überall, erzählt der Bauer. "Aber wenn eines meiner Kinder jetzt Malaria bekommt, habe ich kein Geld mehr, um es behandeln zu lassen."

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