Landwirtschaft in Niedersachsen: Die Nitratbelastung ist massiv zurückgegangen
Nitrat tröpfelt nur noch in den Boden, die Landwirtschaft setzt weniger Stickstoff beim Düngen ein. Der Trend könnte sich aber wieder umkehren.
Auf Ackerflächen, die als besonders nitratbelastet galten, sei der Rückgang noch stärker ausgefallen: Von 115 auf 27 Milligramm pro Liter Sickerwasser. Ausreißer nach oben gibt es, wie eine Karte des Landesamtes zeigt, im Zentrum der Schweineproduktion in den Landkreisen Vechta, Cloppenburg und Osnabrück sowie in der Grafschaft Bentheim an der Grenze zu den Niederlanden. Dort liegen die Werte teils deutlich über 100 Milligramm.
„Das sind sehr gute Nachrichten“, erklärte der Präsident des Landesamtes, Carsten Mühlenmeier. „Wenn alle weiter an diesem Trend mitarbeiten, kommt die abnehmende Nitratbelastung mittel- bis langfristig auch dem Grundwasser zugute.“ Ursächlich sei, dass Landwirt:innen ihre Viehzahlen reduziert hätten. „Vor allem aber geht die Landwirtschaft in den allermeisten Teilen Niedersachsens deutlich effizienter mit Stickstoff beim Düngen von Äckern um.“
Dazu sind sie laut Düngemittelverordnung des Bundes gesetzlich verpflichtet. Diese sei seit 2017 erstmals so ausgestaltet, dass sie ihren Namen verdient habe, sagte am Donnerstag Friedhelm Taube, Professor für Agrarwissenschaft an der Universität Kiel, der taz. Deshalb habe sich der Absatz von Stickstoff-Mineraldünger in Niedersachsen seitdem von knapp 300.000 auf 142.000 Tonnen reduziert. „Dieser Anpassungsprozess der Landwirtschaft ist zu würdigen.“
Immer noch zu viel Stickstoff
Allerdings sei dies nur ein Anfang, denn noch immer würde wesentlich mehr Stickstoff in den Boden gebracht, als Pflanzen aufnehmen können. Deutschlandweit liege dieser Überschuss im Mittel der letzten fünf Jahre bei etwa 92 Kilogramm pro Hektar, 15 Kilogramm weniger als vor der Verabschiedung der Düngemittelverordnung im Jahr 2017. Dass der Rückgang nicht noch stärker ausfalle, liege vor allem an den tierproduzierenden Betrieben insbesondere in Nordwest-Niedersachen.
Der Agrarwissenschaftler gibt zu bedenken, dass es sich bei den jetzt veröffentlichten Ergebnissen des LBEG nicht um Mess-, sondern um modellierte Werte handle. „Wenn es Messwerte wären, müsste das längst an deutlich abnehmenden Nährstoffkonzentrationen in den Flüssen erkennbar sein.“ Dies sei nicht der Fall. Nach dem Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammer Niedersachsen für die Jahre 2022 und 2023 wird an 267 von 369 Messstellen an Gewässern der Nitrat-Richtwert überschritten.
Zudem brauche es neue Instrumente, um diejenigen Landwirte zu einem ressourcenschonenderen Umgang mit Düngern zu bewegen, die die Regeln guter Düngepraxis bisher nicht einhielten. „Etwa zwei Drittel aller Betriebe halten sich daran, ein Drittel eher nicht.“
Abhilfe schaffen sollte die Fortführung der sogenannten Stoffstrombilanz im neuen Düngemittelgesetz, was zwar den Bundestag passiert hatte, im Bundesrat aber kürzlich abgelehnt worden ist. In einer solchen Bilanz müssen die landwirtschaftlichen Betriebe mit Belegen zum Ein- und Verkauf dokumentieren, welche Überschüsse an Stickstoff den Betrieb auszeichnen „Das ist ein klassisches Unternehmens-Controlling, das die guten mit der Einhaltung entsprechender Grenzwerte vor den schlechten Betrieben schützt“, so Taube.
Dünger könnte wieder günstiger werden
Verhalten optimistisch äußerte sich eine Sprecherin von Greenpeace. „Das ist erst einmal eine positive Entwicklung, die aber verstetigt werden muss“, sagte Stephanie Töwe. „Bei den meisten Landwirt:innen hat ein Umdenken stattgefunden, sie bekommen die Auswirkungen der Klimakrise ja auch als Erste zu spüren.“ Allerdings hätten vielleicht auch finanzielle Gründe eine Rolle gespielt, da Mineraldünger in den vergangenen Jahren aufgrund der gestiegenen Energiepreise sehr teuer geworden sei. Jetzt seien die Preise wieder gesunken, der Trend könne sich daher auch wieder umkehren.
Reinhild Benning, Agrar-Expertin bei der Deutschen Umwelthilfe, forderte Verbraucher:innen dazu auf, ihre Einflussmöglichkeiten zu nutzen. Dass die Tierbestände – und damit auch Nitrate aus tierischen Ausscheidungen sich in Deutschland immer weiter reduziert hätten, liege auch an einer sinkenden Nachfrage nach Fleisch. So lebten nach Angaben des Statistischen Landesamtes im November 2023 7.037.800 Schweine in Niedersachsen. Zehn Jahre zuvor waren es 8.760.600.
Aus den errechneten Sickerwasser-Werten lässt sich Benning zufolge nicht ablesen, „ob die andauernde Überdüngung und die andauernde Überlastung mit Nitrat im Grundwasser in Niedersachsen reduziert wird“. Die im Grundwasser gemessenen hohen Werte gäben keinen Anlass zur Entwarnung.
Deshalb hoffe sie darauf, dass auch das Gericht in der nächsten Instanz der Deutschen Umwelthilfe recht geben wird. 2023 hatte das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen nach einer Klage der Umwelthilfe das Land wie auch Nordrhein-Westfalen dazu verurteilt, für einen besseren Gewässerschutz im Ems-Gebiet zu sorgen. Beide Bundesländer haben dagegen Revision eingelegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft