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LandtagswahlKubicki befreit Schleswig-Holstein

Die Sieger sind die Kleinen Parteien. In der CDU beginnen die Auseinandersetzungen über den Anteil von Landeschef Carstensen am schlechten Wahlergebnis, SPD-Kandidat Stegner will sich Gedanken machen.

Schwarz-Gelb dürfte reichen: Die schleswig-holsteinische FDP jubelt vor einem Kubicki-Plakat. Bild: dpa

Die wahren Gewinner das waren die Kleinen. Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef, war das Lächeln im Gesicht gefroren. "Es wird keine Regierung ohne die FDP geben", wiederholte der Ostsee-Möllemann gebetsmühlenartig - denn mehr war über Stunden nicht zu sagen. Mal eine Stimme Mehrheit für schwarz-gelb, mal eine Stimme mehr für alle anderen - bis tief in die Nacht schwankten die Prognosen hin und her. Historischer Höchststand für die FDP, historischer Tiefststand für die CDU - der Stoff, aus dem offensiv geführte Koalitionsverhandlungen sind.

Nicht weniger zufrieden die Vertreter der anderen kleinen Parteien: Marianne Fritzen, Landesvorsitzende der Grünen und SSW-Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk zeigten sich nach Bekanntgabe der Wahlprognosen ebenfalls gelöst. Die Grünen mit 11,9 Prozent weit über ihrem letzten Wahlergebnis (6,2), der SSW, die Partei der dänischen Mehrheit, mit vier Prozent (3,6) stabilisiert und beide als Regierungspartner im Gespräch. Da eine schwarz-gelbe Mehrheit bis tief in die Nacht nicht sicher war, konnten beide Parteien noch lange von Ministersesseln träumen.

Noch zufriedener wirkte Antje Jansen, die Spitzenkandidatin der Linkspartei - mit fröhlichem Lächeln gab sie im Kieler Landeshaus Interview nach Interview. Obwohl der linke Landesverband extrem zerstritten ist, sprang die Partei mit 6,6 Prozent der Stimmen klarer als erwartet über die Fünf-Prozent-Hürde. Tosender Jubel brach auf der Wahlfeier der Linken aus, als dieses Ergebnis verkündet wurde. Da die Linke selbst nicht auf eine Regierungsoption gehofft hatte, bedeutet ihr Einzug in den Kieler Landtag mit vier bis fünf Abgeordneten für sie einen großen Erfolg. "Knallharte Opposition", kündigte Jansen nun an, "im Wettbewerb mit der SPD und den Grünen".

Schönes Gröde

Um kurz nach 18 Uhr lag das Wahlergebnis in Deutschlands kleinstem Wahlbezirk vor: Hallig Gröde in der Nordsee.

Von den 13 Wahlberechtigten stimmten für die SPD 4, die Grünen 3, die CDU 2 und die Linke 1.

Zwei Stimmen waren ungültig, eine Briefwahl ist noch nicht ausgezählt.

Die FDP erhielt 0 Stimmen.

Während die sogenannten Kleinen in Schleswig-Holstein triumphierten, hatten die ganz Kleinen keine Chance. NPD, Piratenpartei und Freie Wähler bekamen so wenig Stimmen, dass Infratest dimap bis zum Reaktionsschluss dieser Ausgabe nicht einmal eine konkrete Prognose über ihr Abschneiden stellen wollte. Insgesamt erhielten die Kleinstparteien rund fünf Prozent der Stimmen.

Wenige Minuten nach Bekanntwerden der ersten Prognose zur Landtagswahl haben in der CDU die Auseinandersetzungen über das Zustandekommen des schlechten Wahlergebnisses begonnen. Landtagspräsident Martin Kayenburg sagte: "Ich denke, man kann überhaupt nicht zufrieden sein.", Kayenburg hatte schon das Herbeiführen der Neuwahl durch eine fingierte Vertrauensfrage öffentlich missbilligt und als einziger CDU-Abgeordneter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen gegen dessen Willen das Vertrauen ausgesprochen. CDU Fraktionschef äußerte sich ebenfalls unzufrieden: "Das Ergebnis ist nicht gut, es ist schlechter als wir erwartet haben." Wadephul wollte allerdings Carstensen nicht für das schlechte Abschneiden verantwortlich machen. Wadephul wird Kiel verlassen und in den Bundestag einziehen. Aus der zweiten Reihe wird zumindest indirekt Kritik am Ministerpräsidenten laut: Vize-Parteichef Rasmus Vöge forderte eine konsequente Aufarbeitung der starken Stimmenverluste. "Das bedeutet, dass wir nicht nur die letzten sechs Wochen, sondern vier Jahre Regierungszeit analysieren müssen", äußerte der Landesvorsitzende der Jungen Union. "Ein kräftiges "weiter so" kann ich dem Wahlergebnis nicht entnehmen." Carstensen selbst sagte im NDR-Fernsehen, er habe noch keine Ansage von seinem Stellvertreter gehört, "ich habe aber keine Veranlassung, persönliche Konsequenzen zu ziehen." Umweltminister Christian von Boetticher (CDU), als möglicher Nachfolger für Carstensen gehandelt, hat das Ergebnis positiv bewertet: "Das bürgerliche Lager ist stabil geblieben."

SPD-Spitzenkandidat Ralf Stegner (SPD) sprach von einer "Katastrophe für die SPD" in ganz Deutschland. "Wir werden uns Gedanken machen müssen", kündigte Stegner an. die SPD könne es sich nicht erlauben, ihre Wähler an die Linken zu verlieren.

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