Landtagswahl in Hessen: Koch gümbelt Schäfer an
"Wo Schäfer-Gümbel draufsteht, ist Ypsilanti drin": Beim Wahlkampfauftakt der Hessen-CDU attackiert Roland Koch den SPD-Spitzenmann heftig.
Künzell bei Fulda, das ist christdemokratisches Stammland. Hier im Osthessischen beherrschte einst der Rechtsausleger der hessischen Union, Alfred Dregger, die Bischofsstadt und den Landkreis. Dregger, der 2002 starb, fuhr als Bundestagskandidat für die CDU Ergebnis von über 60 Prozent ein. Und die vom zur Jahrtausendwende verstorbenen Rechtsausleger der katholischen Kirche, dem Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba, zur Mahnung vor Homosexualität und Abtreibungen in Schwingungen versetzten Domglocken waren auch bis Künzell zu hören.
"Ganz bewusst" habe Hessens CDU zur Auftaktveranstaltung für den kurzen Wahlkampf zur Landtagswahl am 18. Januar 2009 nach Fulda geladen, betonte der geschäftsführende Ministerpräsident und Landeschef der Union, Roland Koch, zu Beginn seiner Rede am Sonnabend im vollbesetzten Gemeindezentrum von Künzell. Denn hier genieße man "großes Vertrauen in der Bevölkerung". Dass dieses Vertrauen seit den Zeiten von Dregger und Dyba bröckelt und die CDU bei der letzten Landtagswahl vor knapp einem Jahr auch in ihren einstigen Hochburgen Fulda und Fulda Land Verluste von über zehn Prozent hinnehmen musste, weiß Koch. Man werde deshalb "um neues Vertrauen werben müssen", sagte Koch. Und er räumte ein, "Fehler gemacht" zu haben; vor allem in der Schulpolitik. Hier kündigte er "behutsame Reformen im Dialog mit Schülern, Eltern und Lehrern" an. Und Koch will "so schnell wie möglich so viel wie möglich" regenerative Energie für Hessen, "aber nicht um jeden Preis". Energie müsse "bezahlbar bleiben".
Dann ging Koch die SPD scharf an. "Steigbügelhalter Lafontaines" seien die Sozialdemokraten in Hessen gewesen - und seien es noch. Denn auch der neue Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel sei "beim ganzen Lug und Trug von Frau Ypsilanti vorne mit dabei gewesen". Der eloquente Eschborner sattelte noch drauf: "Wo Schäfer-Gümbel draufsteht, ist Ypsilanti drin." Auch der Neue von der SPD haben schließlich ein Linksbündnis mit Grünen und Kommunisten nicht generell ausgeschlossen, wetterte Koch.
Eine Korrektur Schäfer-Gümbels mag Koch zudem gefreut haben. Der SPD-Spitzenkandidat verabschiedete sich von seiner Forderung nach einer Zwangsanleihe für Reiche zur Finanzierung von Konjunkturhilfen. "Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass es für eine Anleihe derzeit keine Mehrheit gibt", sagte Schäfer-Gümbel. Er werde sich nicht in einer Instrumentendebatte verlieren, "die ich gegenwärtig nicht gewinnen kann".
Koch hingegen stellt sich in der Finanz- und Wirtschaftskrise als erfahrener Staatsmann dar. Es gehe gerade jetzt um "grundsätzliche Weichenstellungen" für Hessen, sagte Koch. Die Bürger verlangten nach "Berechenbarkeit und Stabilität"; und er und die Union - im Bündnis mit der FDP - würden das "anbieten". Die CDUler klatschten Koch nach seiner Rede stehend Beifall.
Für alle, die in Fulda nicht mit dabei sein konnten, schrieb Generalsekretär Michael Boddenberg die christdemokratische Nachweihnachtsbotschaft in einer Presseerklärung auf: "In schwierigen Zeiten wie diesen braucht Hessen stabile Mehrheiten und einen erfahrenen, in Wirtschaftsfragen kompetenten Ministerpräsidenten wie Roland Koch!"
Draußen an den Straßenrndern hingen auch in Fulda noch die Plakate rum, mit denen die SPD hoffte, von den durchschnittlichen Zustimmungswerten für Roland Koch in der Rolle des Ministerpräsidenten - sie liegen bei 41 Prozent - profitieren zu können: "Wirklich schon wieder Koch?" steht darauf. Neben der rhetorischen Frage haben die Plakatkünstler der SPD viel weißen Platz gelassen. Kaum ein Plakat blieb denn auch von Kommentaren von Bürgern verschont. Ein für die SPD vernichtendes "Ja!" ist als häufigste Antwort zu sehen, oft ergänzt mit einer süffisanten Gegenfrage: "Ja, wen denn sonst? Etwa Schäfer wer?"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen